Die nachhaltige Pflege von Holzböden
hätten eigentlich darauf hindeuten können, dass ich kein Einbrecher oder Vergewaltiger war, aber ich fühlte mich trotzdem wie ein Eindringling. Ich setzte die Tüten auf dem Steinboden ab â die zwei Flaschen Rotwein klirrten und wurden prompt mit einem missbilligenden Blick bedacht â, und zeigte nach oben auf Oskars Stockwerk, während ich gleichzeitig seine Schlüssel aus der Tasche zog.
»Oskar, oben«, sagte ich, mehr als einmal, und lieà den Schlüsselbund hin und her baumeln wie ein Hypnotiseur. Sie fixierte ihn erst skeptisch, dann mit widerwilliger Zustimmung. Jetzt zeigte auch sie nach oben und sagte ein Wort, das ich (natürlich) nicht verstand. Ich setzte eine fragende Miene auf und zeigte ebenfalls nach oben. Sie wiederholte das Wort und nickte, dann wiederholte sie es noch mal in fragendem Ton. Hilflos tat ich es ihr nach und wiederholte das Wort ebenfalls, so gut ich konnte. Sie lächelte und wirkte vollauf zufrieden. Lächelnd und nickend wie ein japanischer Geschäftsmann floh ich die Treppe hoch.
Wenigstens hatte die Modernität sich in Oskars Wohnung radikal durchgesetzt. Die Küche glänzte wie ein Skalpell. Die Katzen lagen ineinander verschlungen auf dem Sofa â ich scheuchte sie herunter und wischte seufzend die Haare von der Sitzfläche. Mir war klar, warum sie das Sofa so mochten; direkte Sonneneinstrahlung heizte das schwarze Leder wunderbar auf. Sie waren hungrig und umkreisten mich mit routiniert bedauernswertem Gehabe. Ich sah zu ihnen hinab und entdeckte zwischen Couchtisch und Sofa plötzlich einen kleinen rötlichen Abdruck, den mein Weinglas hinterlassen hatte. Das Licht war jetzt anders, und der Fleck war unleugbar vorhanden. Undenkbar, dass Oskar ihn übersehen könnte. Auch wenn ich Experte darin war, mich aus der Verantwortung zu stehlen, das hier ging über meine Kräfte. Ich wusste, ich hatte mir einen Minuspunkt eingehandelt, gleich an meinem ersten Tag als Haushüter.
Einmal hatte Oskar mich bei einem Abendessen damit überrascht, sich mit erstaunlichem Blick fürs Detail über meine Fehler auszulassen. Meine damalige Freundin war alles andere als erbaut gewesen, und die Beziehung war dann auch bald in die Brüche gegangen. Oskars damalige Freundin wurde später seine Frau, ein Tatbestand, den ein halbes Dutzend kalifornischer Anwälte sich gerade rückgängig zu machen bemühten, wahrscheinlich mit beträchtlichem Profit.
Dieser Fleck ⦠Ich ging zur Spüle, befeuchtete ein Schwämmchen mit Scheuerseite, gab einen Tropfen Spülmittel drauf und machte mich dann mit der ganzen Wut des zu Unrecht Verfolgten über den verdammten Fleck her. Einen Boden zu haben, der nicht den geringsten Makel zulieÃ, war doch einfach zu blöd. Ein Boden war dazu da, betreten zu werden! Es war unvermeidlich, dass ab und zu etwas darauf fiel, tropfte, krümelte, klebte ⦠Ich scheuerte wie wild. Diese Einladung damals ⦠es war ein seltsamer Abend gewesen. Einer der Gründe, weshalb ich Oskar mochte, war die erfrischende Direktheit, mit der er die Verfehlungen anderer aufs Korn nahm, ohne sich um konventionelle Rücksichten zu scheren. Das einzig Ãberraschende war eigentlich, dass er mich seine kompromisslose Ehrlichkeit nicht schon früher hatte spüren lassen. Allerdings hatte er auch schon zu Uni-Zeiten nichts als Verachtung für meine mangelnden häuslichen Fähigkeiten übrig. Und später hatte er sich sogar in aller Form bei mir entschuldigt. Ãberhaupt war jenes Abendessen der Beginn einer Kausalkette gewesen, die dazu geführt hatte, dass Oskar mich bat, seine Wohnung zu hüten.
Als mir die Schulter und der Ellbogen wehtaten, hörte ich schlieÃlich auf zu schrubben. Ich spülte den Schwamm, wrang ihn sorgfältig aus und wischte den Seifenschaum weg. War der Fleck jetzt immer noch zu sehen? Der Boden war nass â man konnte nicht viel erkennen. Langsam kam es mir vor, als sei der Fleck nichts weiter als ein Schatten auf meiner Netzhaut, wie nach einem Fotoblitz, sonst aber nirgends erkennbar. Ich musste an Edgar Allan Poes »Das verräterische Herz« denken, in dem ein Mörder in den Wahnsinn getrieben wird, weil er sich einbildet, das Herz seines Opfer würde unter den Dielen seines Zimmers pochen. Aber ich war kein Mörder, sagte ich mir, und es würde weit mehr brauchen als einen kleinen Fleck auf dem Boden, um mich in
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