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Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Titel: Die nachhaltige Pflege von Holzböden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Wiles
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Geschichte, die ich in einem Horrorcomic gelesen hatte – einer Neuauflage von irgendeiner amerikanischen Groschenblattserie aus den Fünfzigern. Nachdem er einen Mord begangen hat, wird einem Mann bewusst, dass er seine Fingerabdrücke am Tatort hinterlassen hat. Er wischt also alles ab, was er angefasst zu haben glaubt, eine mühselige und langwierige Angelegenheit. Genervt zerschmeißt er eine Tasse – und gewahrt zu seinem Entsetzen, dass seine Abdrücke jetzt auf jedem der tausend Scherben sein könnten. Also versucht er, sie alle zu finden und abzuwischen, denn er will nicht das Risiko eingehen, auch nur einen halben Abdruck zu hinterlassen. Am nächsten Morgen findet die Polizei ihn auf dem Dachboden, damit beschäftigt, akribisch alles alte Spielzeug und Gerümpel abzuwischen, völlig durchgeknallt. Allmählich konnte ich den Mann verstehen.
    Aus der Nähe sah die reparierte Stelle schlimmer aus als von Weitem. Nicht nur war es ganz offensichtlich eine andere Schattierung als der Rest des Bodens – zu gelb und zu braun –, außerdem hatten sich über Nacht auch Staub und Katzenhaare darauf gesammelt. Und mittendrin ein Fleckchen, das in der seidenglatten Fläche durch eigentümliche Rauheit hervorstach, als hätte jemand seinen Daumen in die Politur gedrückt, bevor sie getrocknet war, nur war der Rand viel zu ungleichmäßig für einen Daumenabdruck …
    Ein Pfotenabdruck. Ein Katzenpfotenabdruck. Ich richtete mich so schnell auf, dass mir schwindlig wurde. Die Stille in der Wohnung bekam plötzlich etwas Fremdes, Lauerndes. Das Sofa war leer, die Tür zum Arbeitszimmer stand offen, und dahinter regte sich nichts.
    Â»Miez Miez«, rief ich, leicht geniert. »Komm schon, Schossy … Strawy.« Ich schnalzte mit der Zunge und machte all die Nonsensgeräusche, die man macht, um Katzen anzulocken – schnalzen, pfeifen, Küsschenschmatzen. Keine Antwort. Konnte es sein, dass die Katze in der Nacht zurückgekehrt war? Aber wo war sie jetzt? War sie wieder hinausgeschlüpft, bevor ich aufstand, um das Fenster zu schließen, oder war sie immer noch – irgendwo?
    Ich fühlte mich gedrängt, das Piano zu überprüfen. Es war noch genau so, wie ich es hinterlassen hatte, geschlossen, still. Unfähig, mich zu entspannen, hob ich den Deckel an. Nichts war hier ungewöhnlich, bis auf den einzelnen, jetzt schwarz getrockneten Tropfen Katzenblut. Wie anders als der Rest der Wohnung dieses Zimmer wirkte – zwar die gleiche minimalistische Einrichtung, die gleichen weißen Wände und Holzdielen, aber nichts von der pingeligen Keimfreiheit, die Küche und Wohnzimmer beherrschte. Das Zimmer war angenehm, ruhevoll, persönlich. Dieser Unterschied erstreckte sich auch auf den Boden. Eine breite Fläche am Schreibtisch war sichtlich abgenutzt von den Rädern des Drehstuhls. Nachdem ich nun ein Fachmann in Sachen Bodenpflege geworden war, sah ich es sofort. Es überraschte mich nicht – auch ich würde die meiste Zeit im Arbeitszimmer verbringen, wenn dies meine Wohnung wäre. Am Anfang hatte ich das auch vorgehabt, fiel mir jetzt wieder ein – in diesem Zimmer zu sitzen und zu schreiben, etwas zu schaffen. Die Erinnerung schien aus einer anderen Ära zu stammen, einer anderen Phase meines Lebens. Vielleicht war ja noch Zeit, sagte ich mir, aber ich würde Ruhe und Gelassenheit dazu brauchen und keine Ablenkung, was unmöglich war, bis ich alles nur irgend Machbare getan hatte, um den Boden in Ordnung zu bringen.
    Doch jetzt ging es um die Frage, wo die Katze geblieben war. Sie musste nachts da gewesen sein – eine Katze hatte ihre Spuren hinterlassen, auch wenn es nicht die Katze war. Ein abergläubischer Reflex gab mir das Wort Geist ein, was ich schnell wieder abschüttelte. Immerhin hatte es ja etwas Passendes, eine moralische Symmetrie, wenn eine Geisterkatze zurückkam, um meine Reparaturanstrengungen zu vereiteln, auch wenn sie ohnehin nichts fruchten würden. Die ganze Wohnung schien sich gegen mich aufzulehnen, sich vielleicht gar rächen zu wollen – auf jeden Fall war sie nicht mehr neutral.
    Aber neutral war sie ja nie gewesen, sondern immer auf subtile Weise feindselig. Das sah ich jetzt in jedem klar umrissenen Detail. Ich war schon eingeschüchtert gewesen, als ich zum ersten Mal durch die Tür kam. Vielleicht war das auch Ziel und Zweck der Wohnung.

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