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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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auf: Gossow hieß der Ort, Landkreis Ostprignitz-Ruppin, und Jenny fand ihn sogar auf ihrer Karte. Die nächste Autobahnauffahrt war angeblich auch nicht weit. Ihr Glück wäre fast perfekt gewesen, wenn nicht gleich am ersten Haus im Dorf eine blasse Bierwerbung geleuchtet hätte.
    »Dorfkrug« stand darüber in Fraktur, darunter: »Gabis Inn - Pension .« Und ich wusste sofort, was zu tun war. Busch nickte nur wohlwollend, als ich davor anhielt.
    »Jungs«, fragte Jenny ungläubig, »was soll das? Vielleicht schaffen wir es jetzt doch noch in die Frühnachrichten! «
    Aber Busch war schon ausgestiegen. Ich angelte meine Jacke vom Rücksitz und bat Jenny augenzwinkernd um Verständnis, solang er noch in Hörweite war. Ehrlich gesagt verstand ich sie auch nicht: Die Redaktion hatte den Beitrag längst abgeschrieben. Wir waren alle müde und hungrig. Warum Buschs Laune noch einmal leichtfertig aufs Spiel setzen?
    »Hast du denn keinen Hunger? «, fragte ich, als Busch schon an der Kneipentür war. Aber Jenny schüttelte nur wütend den Kopf. Ich hielt ihr die Tür auf. Sie stieg demonstrativ auf der anderen Seite aus. Ich freute mich über die völlig verdreckte Karre, doch Jenny vermutete, ich lachte über sie.
    »Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder? «
    Mit verschränkten Armen blieb sie neben dem Wagen stehen und schaute mich vorwurfsvoll an. Der Regen spülte allerdings alles Harte aus ihrem Gesicht, und nach einer Minute konnte sie auch nicht mehr anders und lächelte ohnmächtig zurück.
    Als wir die Gaststube betraten, fuhren ungefähr zehn Köpfe herum und sanken sofort wieder über ihre Biere. Breite Rücken, blaue Arbeitsjacken, von hinten sahen sie alle gleich aus und so, als säßen sie jeden Abend hier, um zu trinken und möglichst wenig zu sprechen. Alles, was zu sagen war, stand mit Lötkolben auf Holzbrettchen gebrannt, die rings um die Theke hingen. »Zwischen Leber und Milz passt immer ein Pils« - von der Art.
    Hinter einer Barrikade aus Gläsern hantierte eine dicke Frau mit einer Schnapsflasche, vermutlich Gabi. Sie war 40 oder 60 Jahre alt, trug ein ebenso schwer bestimmbares Gewand zwischen Kleid und Kittel, lila und braun und musterte uns misstrauisch, bevor sie den letzten von drei Wodka einschenkte. Busch musste seine Finger in die Gläser tauchen, nur so bekam er alle mit einer Hand weg. In seiner anderen Hand erkannte ich drei von diesen Holz-Knubbeln, an denen üblicherweise die Schlüssel von Gästezimmern baumeln.
    Zwei Männer rückten ihre Stühle etwas zur Seite. Busch nickte ihnen freundlich zu, baute die Schnäpse auf einem freien Tisch auf, legte die Schlüssel daneben und setzte sich.
    »Zimmer Nummer 1, 2 und 3«, sagte er, »nun ist ausgebucht .«
    Jenny sagte nichts. Mehr als ein halbherziges »Na dann: Prost! « fiel mir auch nicht ein. Die dicke Wirtin wackelte in die Küche. Sicher hatte Busch auch schon Essen für uns bestellt. Man konnte das unverschämt oder fürsorglich finden. Ich für meinen Teil war froh, dass er überhaupt wieder menschliche Züge zeigte. Jenny empfand offenbar nichts dergleichen.
    »Außerdem habe ich morgen früh einen wichtigen Termin .«
    »Wir auch«, sagte Busch und ließ seinen Blick durch die Wirtschaft wandern, ohne Jenny auch nur zu streifen. Sie folgte seinen Augen in die hinterste Ecke, wo ein paar junge Männer ihre kahl rasierten Köpfe zusammensteckten.
    »Mit dieser Thorwart, der neuen Wunderwaffe beim BKA.. .«
    »Wir auch .« Busch grinste.
    Sie seufzte. Mir war jeder Dreh recht. Und wahrscheinlich hörte ich deinen Namen in diesem Moment sogar zum ersten Mal.
    »Dann wisst ihr ja auch, dass es ein längeres Stück werden soll und Matti persönlich für Evelyn Thorwart.. .«
    »Jetzt pass mal auf, Mädchen, ein für alle Mal: Matti persönlich ist mir persönlich scheißegal. Mir persönlich knurrt nämlich der Magen und ganz sicher fahre ich heute Nacht nicht mehr zurück. Da muss sich Matti eben persönlich um einen neuen Termin bei dieser komischen Nazitante kümmern. Alles klar? «
    Busch schob seinen Kopf über den Tisch wie ein Raubvogel, der notfalls auch zuhacken würde. Sein merkwürdiges Benehmen am Nachmittag hatte wohl doch nichts mit ihr zu tun oder Jenny hatte es sich inzwischen ein für alle Mal verscherzt. Trotzdem hielt sie seinem Blick noch einige Sekunden tapfer stand, bevor sie endgültig aufgab. An ihrer Nasenspitze sammelten sich ein paar Tropfen, und ich war nicht sicher, ob es nur Regenwasser war. Ein

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