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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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Was sollte das überhaupt mit der Blutgruppe? Hatten eure Chefs Angst, ihr könntet ihnen sonst weglaufen?«
    »Es war eine Auszeichnung!«
    »Aha! Und wofür? Für blutrünstige Mörder, wie deinen Vater?«
    Das war gemein, aber Absicht. Er sollte ruhig weiter fragen, Wut bekommen - und Antworten. Vielleicht kämen wir so voran. Doch Fritz blieb wie versteinert in meinem Sessel sitzen, schwieg und zuckte nicht mal zusammen, als jemand laut und fordernd an die Wohnungstür klopfte.
    Davor standen zwei Männer, die vom Hals abwärts beide als Gerd Busch verkleidet waren. Einer stürmte sofort hinein. Der andere zögerte kurz und trug eine Zeitschrift unterm Arm, die er im Hausflur aufgelesen haben musste. Diese schwulen Anzeigenblätter flatterten dort immer wochenlang herum.
    Der echte Gerd warf einen angewiderten Blick in das Chaos meiner Wohnung. Dann baute er sich entrüstet vor mir auf, als wäre ich ihm auch darüber noch Rechenschaft schuldig.
    »Wir haben Hausverbot«, sagte er. »Im ganzen Sender! Sie haben es mir gerade auf den Anrufbeantworter gequatscht, und Matti gleich noch persönlich aufs Handy. Wir kriegen es auch noch schriftlich. Aber praktisch sind wir schon raus!«
    Für Busch musste das etwa so sein wie ein Führerscheinentzug bei einem Taxifahrer. Ich wusste nicht, was er erwartet hatte nach seinem Auftritt auf der Pressekonferenz. Aber vermutlich erwartete er von mir etwas mehr Erschütterung, während ich in Gedanken noch bei Fritz war und mit meinen Augen bei Josef, der sich lesend auf mein Bett lümmelte.
    Ihn schien das eigene Schicksal überhaupt nichts mehr anzugehen. Er trug eine Jeans, ausgetretene Cowboystiefel und eine Wildlederjacke mit Fransenärmeln und sah darin aus, als hätte er nie etwas anderes angehabt als Buschs Ersatzgarnitur aus dem Auto. Gegen Busch wirkte er sogar ziemlich gut erhalten, wie ein lässiger Opa, der die Mode seiner Jugend noch mal auftrug oder mit seinem alten Kumpel immer noch jedes Wochenende auf Westerntreffen ging. Das fehlende Tageslicht im Bunker war ihm gut bekommen. Vielleicht lag es aber auch am Alkohol, dass die gut 20 Jahre Altersunterschied kaum auffielen oder eher Gerds Problem waren. War am Ende alles bloß eine Frage der Verkleidung? Musste man als Faschist nur in ein Kostüm schlüpfen, um die Sau rauszulassen, so ähnlich wie beim Fasching? Heilau Faschisten-Fasching?
    »Hallo!« Gerd rüttelte mich und wartete wohl immer noch auf eine angemessene Reaktion. »Wir haben Hausverbot!«
    »Ja, klar. Hausverbot. Und nun?«
    »Nichts nun. Die wollen uns fertigmachen. Ich hab’s von Anfang an gewusst: Wir haben in die Scheiße gegriffen. Egal, wie man dieses Thema anfasst, man riecht sofort selbst danach. Und alle rümpfen die Nase. Sie können gar nicht anders ...«
    »Sehr richtig«, mischte sich Fritz von Jagemann ein, »das versuche ich dem jungen Mann auch gerade klarzumachen.«
    Zum Glück ging Gerd nicht weiter auf ihn ein.
    »Was ist? Warum hat sich die Mumie noch nicht umgezogen?«
    »Er weigert sich. Ich hab auch langsam keine Lust mehr.«
    »Hast du was zu trinken im Haus?«
    »Aber nur Whiskey.«
    »Egal.«
    Ein wenig enttäuscht stellte ich eine angebrochene Flasche auf den Tisch. Zwei Tage hatte ich wirklich den Verdacht gehabt, es würde auch ohne gehen, was natürlich Unsinn war. Vermutlich hatte sich Gerd diskret selbst versorgt.
    Dass er nun wieder offen damit anfangen wollte, beruhigte mich nicht gerade.
    »Auch einen Schluck?«, fragte er Fritz, der entschieden ablehnte. Dafür meldete sich Josef von meinem Sofa: »Ja, gern!«
    Gerd reichte ihm die ganze Flasche. Dann setzte er sich neben Fritz und sammelte seine Gedanken wie ein Vater, der seinem Sohn eine komplizierte Sache erklären will.
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, sagte er, »entweder Sie ziehen sich jetzt sofort um - oder Sie ziehen sich sofort um.«
    Fritz sah ihn verstört von der Seite an.
    »Jetzt mach schon«, nölte Josef gelangweilt von hinten.
    »Na gut«, sagte Fritz, raufte ein paar meiner Sachen zusammen und verschwand Richtung Bad, »aber nur unter Protest!«
    So einfach war das: klare Ansagen. Man durfte ihnen keine Wahl lassen. Sie wollten Befehle bekommen und ausführen. Offenbar war das bei alten Nazis nicht anders als bei Kindern. Ich bewunderte Gerd für sein pädagogisches Gespür.
    Du hättest ihn sehen sollen, als er wieder aus dem Bad kam! In Jeans und Parka wie ein alter Vietnamveteran, und irgendwie passten nicht nur die Hosen ganz gut

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