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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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wesentlich älter als die Jungs und macht sowohl ihnen als auch uns gegenüber kein Hehl aus seiner schlechten Laune: Er wolle in solche Sachen nicht mehr hineingezogen werden, schimpft er mehrmals ungehalten - was auch immer er meint.
    Erst als er unsere Ausrüstung sieht, beginnen seine Augen zu leuchten. Das sei ja nicht zu fassen, sagt er und befummelt Spaten, Magazintaschen und was noch am Koppel baumelt. Er hätte gedacht, die Sache mit dem Bunker sei alles Lüge, Volksverdummung ...
    Woher er das überhaupt wisse, frage ich.
    Was, fragt er zurück, daß im Fernsehen nur gelogen werde?
    Nein, das mit dem Bunker?
    Aus dem Fernseher, sagt er, woher sonst.
    Wieder dieser Kasten! Aber er winkt ab: Wir sollten darauf nichts geben. Alles Verleumder. Üble Propaganda. Dann will er unbedingt wissen, was da unten noch alles sei: Etwa Geschirr mit Hoheitszeichen? Bestickte Tischwäsche? Wie ein gieriger Bräutigam führt er sich auf, der reiche Aussteuer wittert, oder wie manche Schulkameraden damals, als es plötzlich hieß, Edgar Rosen komme nicht mehr zur Schule, und sie sich auf seine neuen Turnschuhe stürzten. Weißt du das noch, Liesbeth, wie peinlich das war?
    In seinem Gehöft abseits jeder Siedlung fängt der Mann ohne Namen sofort an zu feilschen. Für Konrads Maschinenpistole, die wir ja übrig haben, verspricht er, nicht nur das Motorrad zu tanken und den Vergaser zu prüfen, sondern will auch sehen, ob er neue Mäntel und Stiefel für uns besorgen könne. Das klingt nicht schlecht. Leider deutet er aber auch an, daß es etwas dauern könne, vor allem die Benzinbeschaffung. Offenbar handelt er illegal mit allen möglichen Dingen, die eigentlich der Reichsausrüstungskammer Vorbehalten sind, der Partei oder irgendeiner anderen befugten Stelle - keinesfalls aber in eine alte Scheune gehören. Ehrendolche liegen überall herum. Eine Schublade voller Rangabzeichen quillt über, alle möglichen Uniformteile und sogar Orden hat er da, kistenweise.
    Für Josef und Otto findet er sofort zwei passende Ledermäntel. Mit Ärmelabzeichen könne er auch dienen, sagt er, kramt in einer Ecke und breitet stolz sein Angebot vor uns aus: Wiking, Hitlerjugend, Das Reich - was immer wir wollten. Nur Leibstandarte sei gerade aus, vielleicht in zwei Monaten wieder. Einen Mantel in meiner Größe findet er auch nicht.
    Was ihm außerdem fehlt, ist der nötige Ernst: Als wenn man sich seine Division aussuchen könnte und die Ärmelabzeichen wechselt wie Fußlappen! Dann will er mir auch noch den Filzmantel eines einfachen Landsers aufschwatzen. Empört lehne ich ab.
    Während er nach Stiefeln sucht, ertappe ich Josef, wie er sich vor einem kleinen Spiegel dreht und wendet. Er hält sich ein Ritterkreuz samt Eichenlaub und Schwertern an die Brust und grinst verschämt. Die Versuchung scheint groß für ihn, aber ein strenger Blick von mir reicht, und er legt es zurück.
    Die jungen Kameraden drängen den Krämer zur Eile und schlagen uns vor, sie zu einer Versammlung zu begleiten. Ganz in der Nähe treffe sich heute der »Nationale Widerstand«. Nie gehört, die Organisation. Die Bewegung läßt sich aber auch ständig neue Namen einfallen. Vermutlich meinen sie versprengte Kämpfer. Die Jungs flehen uns förmlich an, das Benzin soll erst morgen da sein - also willigt Otto leichtfertig ein. Wer konnte auch ahnen, daß wir dafür stundenlang kreuz und quer über Land fahren müssen, in zwei Personenkraftwagen gequetscht.
    So geheim muß der Treffpunkt sein, daß unser Fahrer laufend neue Meldungen über die Richtung empfängt. Er benutzt ein ähnliches Funkgerät wie die Wochenschauleute, ein Telefon ohne Schnur. Immer wenn es piept, erscheinen auf der winzigen Glasfläche neue schriftliche Marschbefehle. Trotz Grundausbildung als Funker habe ich so etwas noch nie gesehen. Nach der vierten Nachricht müssen wir wenden, fahren noch einmal durch zwei oder drei Ortschaften, die wir schon durchquert haben, und halten hinter einem heruntergekommenen Gasthof. Bestimmt hundert ähnlich moderne Autos parken dahinter auf einer Wiese.
    »Deutsches Haus« lesen wir über dem Eingang. Putz bröckelt von der Fassade. Ein Festsaal gehört auch dazu. Jemand lotst uns durch Seiteneingang und Küche bis in die Gaststube, wo man uns dienstfertig Mäntel und Waffen abnimmt. Als wir an einen Tisch geführt werden, treten andere Gäste zur Seite oder erheben sich von ihren Plätzen. Für meinen Geschmack übertreiben sie ein wenig, aber Otto gefällt es,

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