Die Nachhut
gekünstelt auf.
Endlich erwachte auch Schiller aus seiner Starre, doch statt den Kollegen zur Schnecke zu machen, hielt er mir die Tür auf und schob mich sanft hinaus.
»Nichts für ungut«, sagte er zum Abschied zu den beiden Lauschern. Mit mir sprach er erst draußen wieder: »Entschuldigung, aber ich glaube, ich muss Ihnen erstmal was erklären.«
»Das glaube ich auch. Was haben die uns denn zu sagen?!«
»Eine Menge: Wenn die uns nichts sagen, wären wir gar nicht hier. Ohne Verfassungsschutz wüssten wir nicht mal von der Veranstaltung, ganz zu schweigen von den Überraschungsgästen.«
»Ich denke, das ist deren Job?«
»Sicher. Aber sie müssen uns nichts verraten. Das entscheiden die selbst. Wir erfahren das meist erst hinterher, wenn wieder irgendwo was los war. Es sei denn, es gilt eine konkrete Gefahr abzuwehren - oder man hat gute Drähte.«
Langsam gingen mir seine guten Drähte auf den Docht. Immer wusste er mehr als ich, hatte er schon mit irgendwem den nächsten Schritt besprochen - nur nicht mit mir.
»Lass mich raten: Es gibt eine Absprache?«
»Genau: Wir durften nur mithören, weil ich zugesichert habe, weder ihre Maßnahme noch ihre Quelle zu gefährden, das war der Deal. Daran müssen wir uns halten, wenn wir je wieder was vom Verfassungsschutz wollen. Das kennen Sie doch auch aus der Politik, oder? Sehen Sie’s mal positiv: Immerhin sind wir ganz nah dran und wissen, wo sie sind. Morgen früh hindert uns keiner mehr, dann schlagen wir zu.«
Was mich betraf, schlug ich zunächst wütend die Wagentür zu. Den Fahrer hatte Schiller schon vor unserer geheimnisvollen Spritztour in den Feierabend geschickt. Vermutlich gehörte das auch zum Deal. Ich schloss die Augen und beruhigte mich langsam. Lars Schiller würde nie zu meinen Freunden zählen, aber manchmal tat es einfach gut, dass er da war, und wenn nur als Blitzableiter für meine Wut. Ich hatte ja sonst niemanden. Und in einem kindischen Anfall von Einsamkeit, bot ich ihm das du an. Sag nichts, Benny - ich weiß schon! Aber du warst ja auch nicht da.
»Lars«, sagte er lächelnd.
Gegen Mitternacht rollten wir auf den Parkplatz eines kleinen Schlosshotels in der Nähe von Neuruppin, das uns die Bundesanwälte empfohlen hatten. Efeu rankte sich um drei Laternen und das halbe Gemäuer. Im Dunkeln plätscherte ein See. Und wie immer, wenn man Kerlen leichtfertig den kleinen Finger reicht, brauchte ich nicht länger zu warten, bis mir Schiller den Arm ausreißt.
»Wie gemacht für ein Liebespaar«, sagte er und zwinkerte anzüglich, als er mit die Tür aufhielt, »findest du nicht?«
Hinter der Rezeption wachte eine junge Frau auf und wollte den verschlafenen Eindruck schnell wettmachen, in dem sie uns doch noch eilfertig entgegenlief.
»Nur keine Umstände«, tröstete ich sie, »wir wollen auch nur ins Bett.«
»Aber Sie haben Besuch!«
Schiller ließ die Taschen fallen und sah mich an. Doch ich hatte auch keine bessere Erklärung als das Mädchen:
»Sie bestanden darauf, in einem Ihrer Zimmer zu warten.«
Schillers Hand zuckte unwillkürlich zum Holster unter seinem Jackett. Das Mädchen zückte die Zimmerschlüssel.
»Sie?«, fragte er, »wer denn - und auf welchem Zimmer?«
»Drei Männer, alle ähnlich angezogen. Sie wollten zu Frau Thorwart, es sollte wohl eine Überraschung sein«, flüsterte das Mädchen verschwörerisch. Doch weil Schiller plötzlich seine Pistole in der Hand hielt, schwante ihr wohl, dass sie einen Fehler gemacht hatte. »Es tut mir leid. Ich wollte wirklich nicht...«
»Keine Sorge«, sagte ich, »wie alt waren sie denn etwa?«
»Eher älter, würde ich sagen.«
Sie war höchstens 20. Alter konnte alles heißen. Lars Schiller musste dennoch nicht aussprechen, was wir beide dachten, und nahm die Treppe - wegen der Aufzuggeräusche. Auf was der Junge immer alles achtete. Der Flur im Obergeschoss war leer. Ein Bewegungsmelder schaltete das Licht ein. Schiller drückte sich flach an die Wand und huschte von Tür zu Tür, ich hielt mich dicht hinter ihm. Es sah vielleicht so aus, aber es war nicht wie in einem Film - und kein bisschen lustig.
Vor meinem Zimmer lud Schiller seine Waffe durch. Drinnen lief der Fernseher. Er schickte sich an, die Tür einzutreten, und einem seiner vielen Handzeichen zufolge sollte ich wohl warten, bis er die Männer überwältigt hätte. Doch damit war ich nicht einverstanden. Drei gegen einen - so unsympathisch konnte niemand sein, dass ich seinen Heldentod
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