Die Nachhut
Verkäuferin fackelte nun auch nicht mehr länger und ließ ihre Kasse aufspringen.
»Ich kann aber nur in Euro rausgeben«, sagte sie.
Stahl hielt erst gleichgültig die Hand auf, dann aber beugte er sich neugierig über, die Münzen und bekam fast gleichzeitig einen Ellenbogen von Jagemann in die Seite. Das Kleingeld klimperte zu Boden, und beide starrten aus dem Fenster.
»Was ist da los«, flüsterte Schiller, »Kondor 7: Was ist auf dem Parklatz? Wir sehen das von hier nicht. Kommen!«
»Schöne Scheiße.« Mehr kam nicht von Kondor 7.
Wir stürzten aus der Küche in einen Vorratsraum, wo sich Pommessäcke bis zur Decke stapelten, und sahen durch ein schmales Fenster eine Polizeikolonne auf den Parkplatz rollen. Den Kennzeichen nach waren es Kollegen aus Sachsen, die uns in Wittstock unterstützt hatten und nun wie hungrige Ameisen über die Raststätte herfielen. Am Ende der Kolonne tauchte ein weißer Van auf und natürlich erkannte auch Schiller euer Auto sofort.
»Diese Schmeißfliegen«, fluchte er und brüllte über Funk die armen Sachsen an, was so sinnlos wie ungerecht war, denn abgesehen von ihrem Dialekt benutzten sie offenbar auch eine andere Frequenz. Dass sie von unserer Geheimoperation nichts wussten, war allein Schillers Schuld, der nun wenigstens die Verantwortung für die nächste Panne mit mir teilen wollte.
»Zugriff?«, fragte er scheinheilig und entsprechend unentschlossen hob ich die Schultern. Schiller verstand das schon.
»Kondor 1 an alle: Zugriff sofort!«
Während wir in das Restaurant stürmten, waren die beiden SS-Männer schon an der Zapfsäule. Stahl stieß den gefleckten Pick-Up-Fahrer zur Seite und startete das Motorrad. Von Jagemann zögerte noch, doch als die Jungs vom SEK aus einem Möbelwagen quollen, sprang auch er auf und Stahl gab Gas.
Rund um die Zapfsäulen waren selbst Warnschüsse tabu. Die Kollegen Kondor 3 und 4 blockierten mit ihren Wagen zwar die Auffahrt zur Autobahn. Das Gespann aber bog kurz vorher auf einen Feldweg ab, der von der Raststätte ins Hinterland führte. Ungläubig sah ihnen Schiller nach: Offenbar hatte sich mein kleiner Stratege auf das Verbotsschild verlassen. Bis sie außer Schussweite waren, sahen wir nur noch Staubwolken.
Danach schwärmten unsere Leute aus. Schiller teilte sogar die Sachsen mit ein. Nur die Lockvögel von der Bundeswehr durften sich nicht von der Stelle rühren, damit sich keine Uniform zwischen ihnen verstecken konnte. Der V-Mann lag unterdessen fest verschnürt am Boden. Sein Gesicht in einer Diesellache, wimmerte er und beklagte sich über die Behandlung, aber niemand hörte zu. In seinem Auto saß immerhin noch ein schwer bewaffneter SS-Mann, der sich trotz offener Türen weigerte, die Hände zu heben und auszusteigen. Von jeder Seite des Wagens zielten drei Mann auf seinen Kopf, bis uns einfiel, dass er gar nicht anders konnte. Sie hatten ihren Anführer zurückgelassen, den klapprigsten von allen. Und beinahe vorschriftsmäßig machte ich mich über Böttcher her.
»Guten Tag, mein Name ist Thorwart, BKA. Sie haben selbstverständlich das Recht zu schweigen, aber können uns auch helfen. Vor allem wollen wir wissen: Wo ist ihr vierter Mann?«
Böttcher stellte sich taub.
»Hallo«, fragte ich und rüttelte ihn dabei sanft an der Schulter: »Können Sie mich verstehen?«
»Fass mich nicht an, Amiluder!« So fauchte er zurück. »Ich will mir nicht auch noch die Syphilis holen.«
Der alte Giftzwerg hatte keine Ahnung von modernen Geschlechtskrankheiten, aber das entschuldigte wenig: Da nimmt man seine ganze Höflichkeit zusammen, spricht einen Faschisten wie einen Menschen an, berührt ihn sogar ohne Handschuhe - und dann das! Ich spürte mein Gesicht glühen. Scham war es nicht:
»Holt ihn raus!«
Vier Polizistenarme packten zu, zerrten Böttcher aus dem Auto, und weil er partout nicht stehen wollte, setzten sie ihn mit dem Rücken an eine Zapfsäule, wo er wüst weiter krakeelte. So von oben herab fühlte ich mich gleich besser und wollte es gerade noch einmal in aller gebotenen Strenge versuchen, als mich ein schlanker Mann zur Seite schob, neben Böttcher niederkniete und zwei Finger um dessen dürres Handgelenk legte. Erst nachdem er den Puls hatte, stellte er sich vor. Ihm!
»Worch mein Name. Ich bin Arzt. Tut ihnen irgendwas weh?«
Schiller stand schweigend daneben, bis ihm wenigstens auffiel, dass ich nicht aus Luft bestand und ziemlich wütend aussah.
»Dr. Worch«, erklärte er dann,
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