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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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folgen kurz entschlossen ihrem Beispiel. Ein paar Russen haben nun doch unser Ufer erreicht und rennen mit unmenschlichem Geheul auf uns zu. Die Landser neben uns werfen sich in den Sand und feuern. Wir zögern auch nicht lange: Anlegen, zielen und - was soll ich sagen: Es ist gar nicht so schwer, auf Menschen zu schießen, wenn alle um einen herum das gleiche tun.
    Aus! Gekauft! Danke!
    Die merkwürdigen Befehle kommen über Lautsprecher aus dem weißen Zelt. Mit den anderen Kameraden stellen wir das Feuer ein. Manche stehen auf und schlendern zurück in den Graben. Sogar die Russen erheben sich, klopfen Staub von ihren blassen Uniformen und ziehen sich zum Fluß zurück. Die meisten von ihnen haben scheinbar nur so getan, als seien sie getroffen - außer zwei. Auf einen davon hatte ich gezielt.
    Er wimmert und schreit. Und eine merkwürdige Aufregung macht sich deshalb breit. Jemand ruft nach Sanitätern. Sogar der Kommandeur steigt von seinem Feldherrenhügel herab. Der Feldwebel zeigt mit dem Finger auf uns, und eine junge Frau, die eben selbst noch den Angriff befohlen hat, baut sie sich nun vor uns auf wie ein Spieß, stemmt die Hände in die Seiten und fragt, was wir hier überhaupt verloren hätten?
    Stahl grinst sie an. Das gleiche könne er sie fragen, sagt er, worauf sie völlig die Fassung verliert. Insgeheim hat ihr Mann mein ganzes Mitgefühl, wenn sie überhaupt einen hat: So eine kleine, runde Person, kurze Haare, Nickelbrille, Hosen - wenn Du weißt, was ich meine - aber ein Mundwerk wie ein MG!
    Wenigstens werden wir nun zum Kommandeur vorgelassen. Jason läuft wohlwollend um uns herum. Unser Einsatz scheint ihm Respekt abgenötigt zu haben. Kein Wunder: Immerhin haben wir als Einzige getroffen. Leider reicht mein Englisch nicht. Er nuschelt ein paar unverständliche Sätze, zeigt auf Josefs Stahlhelm und setzt ihn selber auf. Die Dragonerin übersetzt: Angeblich will Mister Jason wissen, woher wir die Kostüme hätten. Wer unser Ausstatter sei. Sie spricht zwar ganz passabel Deutsch, aber wir verstehen trotzdem fast nichts. Versorgt sich die Truppe neuerdings selbst mit Uniformen? Aus kleinen Depots in bäuerlichen Scheunen? Das wäre eine Erklärung. Aber mir gefällt das alles nicht.
    Eine Prozession von aufgebrachten Soldaten nähert sich, deutsche Landser und Russen gemischt. An der Spitze tragen sie die zwei Verletzten. Sie wollen ebenfalls zu Jason und eine schier unglaubliche Diskussion beginnt: Der General brüllt, die Dragonerin brüllt es weiter. Und die Wortführer ihrer Untergebenen brüllen zurück. Es grenzt an Meuterei. Das Wort Vieh fällt mehrmals, und weil dazu blaue Flecken vorgezeigt werden, schließe ich, sie fühlen sich wie Viecher behandelt.
    Rückzug, zischt Josef und hat wohl ausnahmsweise mal Recht.
    Etwas stimmt nicht mit diesem Frontabschnitt, eine ganze Menge sogar. Die Russen schauen immer feindseliger zu uns herüber, ein paar von ihnen bewegen sich sogar auf uns zu. Es sind nicht gerade die kleinsten und schmälsten. Von den deutschen Kameraden - das kennen wir ja schon von der Tankstelle - haben wir keine Hilfe zu erwarten. Also weichen wir lieber zurück und pflanzen die Bajonette auf, wie wir das in der Ausbildung für den Nahkampf im Graben gelernt haben. Jason ruft die Russen zwar auf Englisch zur Ordnung, aber das hindert uns trotzdem nicht, den Schritt zu beschleunigen und zurück in den Graben zu klettern. Wir schlagen Haken wie in einem Irrgarten, obwohl uns nur noch die Dragonerin verfolgt. Wir sollen warten, ruft sie, Jason wolle, dass wir einen Vertrag unterschreiben. Der Kanonier auf dem Kran dirigiert sie von oben: Rechts, links, schreit er, weiter links. Wir aber stolpern kopflos weiter, bis wir unser Motorrad erreichen.
    Wir werden weiter marschieren ... Wütend summe ich unser Lied, während Josef die Schranke durchbricht. ... wenn alles in Scherben fällt. Niemand hält die Waffen-SS auf ... Denn heute da hört uns Deutschland... Und ein Vertrag? Wir sind doch keine Söldner!
    Eigentlich konnte man sich für Otto Böttcher keinen besseren Platz auf dieser Welt vorstellen, aber ich spürte dennoch einen dicken Kloß im Hals, als ich mit Busch sein Zimmer betrat.
    Ein Bett, ein Schrank, ein Fenster zum Park - mehr schien ein alter Mensch nach den Vorstellungen von Pflegeheimplanern nicht mehr zu brauchen. Es war der übliche Standard in beige und roch nach Pressspanmöbeln, Desinfektion und Kamillentee. Der Fußboden glänzte wie die Gitter am Bett.

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