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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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strahlte wie ein Vorschulkind: »Aber nicht verraten - ihr wisst ja!«
    »Josef Stahl ist aus Berlin? Wissen Sie das genau?«
    »Wer sagt das?« Otto kicherte blöde: »Die Ärzte etwa?«
    »Nein«, sagte Gerd nachsichtig, »Sie selbst haben das gesagt, gerade eben. Egal: Was ist mit den Ärzten?«
    »Ach herrlich, dieser Dr. Worch, feiner Kerl! Wir könnten stundenlang reden. Und einen Kognak hat der im Schrank! Also wenn es nach mir geht - ich könnte hier alt werden.«
    Weil das nicht ironisch klang, lachten wir auch nicht.
    »Wartet mal«, sagte er dann, »ich zeig euch was!«
    Per Knopfdruck fuhr er den Kopfteil seines Bettes nach oben, dann das untere Ende, so dass es zusammenklappte wie ein Taschenmesser und alles Bettzeug verrutschte.
    »Und jetzt passt auf! Das habt ihr noch nicht gesehen.«
    Er drückte einen anderen Knopf. Sein gesundes Auge schaute uns vielversprechend an, und wieder zuckten wir zusammen, als die Tür aufging. Der Pfleger blickte sich kurz im Zimmer um und machte sich sofort über das liederliche Bett her, während Otto hinter seinem Rücken feixte und offenbar Beifall erwartete, als der junge Mann wieder raus war.
    »Nettes Spiel«, sagte ich, um ihn nicht zu enttäuschen.
    »Soll ich noch mal? Das macht der immer wieder.«
    Behutsam nahm ihm Busch die Fernbedienung aus der Hand und versuchte es noch einmal mit den wesentlichen Dingen: »Josef Stahl ist also Berliner. Hat der Doktor auch gesagt, wie es jetzt weitergehen soll? Wissen die auch, wohin ihr wollt?«
    »Er hat auch immer nur Fragen gestellt: Wohin? Woher? Weshalb? Genau wie ihr. Als wenn ich das alles wüsste!«
    Nach einem kurzen Anflug von Zorn sackte Böttcher wieder kichernd in seinen Stuhl. Beinahe neidisch fragte ich mich, was es hier wohl für geile Drogen gab. Dann aber nahm er plötzlich von sich aus den richtigen Faden wieder auf:
    »Um Fritz müsst ihr euch keine Sorgen machen. Den holt sein Vater schon raus. Muss ja ein ganz hohes Tier sein!«
    »Der Vater von Fritz? Wissen Sie zufällig den Namen?«
    »Na klar: Der heißt natürlich auch von Jagemann.«
    »Klar, natürlich, dumme Frage.« Busch gab es auf.
    »Hat Fritz noch was von seinem Vater erzählt?«, fragte ich.
    »Noch was? Ständig hat er von ihm gesprochen, ziemlich eingebildet die ganze Sippe. Ehrendegen des Reichsführers, dazu sämtliche Parteiauszeichnungen, Blutorden, alles.«
    »Und sein Name?«
    »Sein Name? Aber Jungchen, den habe ich doch schon ...«
    »Nein.«
    »Nein? Na dann: Carl Otto von Jagemann. Carl mit C, darauf legen solche Leute ja unheimlich Wert. Zuletzt Brigadeführer.«
    Danach nahm Otto den Katalog wieder zur Hand und vertiefte sich in eine Doppelseite mit Damenunterwäsche. Er reagierte nicht einmal mehr, als wir uns verabschieden wollten und nach dem Pfleger klingelten, der uns nur zu gern wieder freiließ.
    »Moment noch«, schnarrte Otto, als wir schon fast aus dem Raum waren. »Ein Frisör, Stahls Vater hat einen Frisörsalon.«
    »Nächste Woche«, rief der Pfleger durch den Türspalt zurück, »der Frisör kommt nächste Woche, Herr Böttcher.«
    Uns gegenüber wedelte er nur mit der Hand vor der Stirn, bevor er uns zum Ausgang begleitete.

Donnerstag
    AUF DER Rückfahrt nach Berlin hatte ich erstmals das komische Gefühl, es könnte Wichtigeres im Leben geben, als Platten auflegen. Beunruhigend war das und gleichzeitig aufregend. Doch dann packte ich trotzdem noch schnell mein Zeug für die Nacht im Doro zusammen, duschte ausgiebig und verfiel dabei der fixen Idee, Busch anzurufen und nach deiner Nummer zu fragen. Er hatte schon geschlafen, war ziemlich sauer und fand auch den Gedanken absurd, dich ins Doro einzuladen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es nicht nur Eifersucht war. Arglos wie ich war, hätte ich dir vermutlich sogar die Neuigkeiten über Josef Stahls Berliner Wurzeln verraten. Woher sollte ich auch wissen, dass dich Wolf Jäger noch einmal auf Linie gevögelt hatte?
    Vor Mitternacht ging die Party im Doro ohnehin nie richtig ab. Schon fertig gestylt fuhr ich deshalb noch einmal meinen Computer hoch und begann, nach Spuren der Familie von Jagemann zu suchen. Sonst gab das Internet bei Namen eigentlich immer etwas her: Aber bei den von Jagemanns war entweder noch nie jemand online oder ihr Geschlecht war lange vor Google ausgestorben. Der Name fand einfach nicht statt, schien aus gemerzt wie der Vorname Adolf, seit es nicht mehr trendy war, Söhne so zu nennen. Nur ein kostenpflichtiges Pressearchiv

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