Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
wie sein altes Schlafzimmer im Haus seiner Mutter eingerichtet. Außer dass in seinem alten Zimmer kein wandgroßer Flachbildschirm aus dem Elektronikkaufhaus am Times Square gestanden hatte. Und kein Getränkeautomat. Und keine Ladenregale voller Comic-Hefte. Zack kickte die Spielkonsole auf dem Boden zur Seite und ließ sich in den Ledersessel fallen, den er sich aus dem Yankee-Stadium hatte kommen lassen – einer der Sitze gleich hinter dem Schlagmal, die an die tausend Dollar kosteten. Hin und wieder brachte man Kinder zu ihm, mit denen er Videospiele spielen konnte, oder er spielte online auf einem eigens für ihn eingerichteten Server, aber er gewann ohnehin fast immer – die anderen konnten nicht regelmäßig trainieren –, und das langweilte ihn, vor allem weil auch keine neuen Spiele mehr produziert wurden.
Anfangs hatte er sich im Schloss ziemlich gefürchtet. Immerhin hatte er jede Menge Geschichten über den Meister gehört. Er hatte damit gerechnet, in einen Vampir verwandelt zu werden, so wie seine Mutter, aber sie hatten ihn verschont. Warum? Man hatte ihm nie einen Grund dafür mitgeteilt – und er hatte auch nicht danach gefragt. Er war Gast am Hof des Meisters und, als einziger Mensch hier, wohl auch so etwas wie eine Berühmtheit. Kein anderer Nicht-Vampir war in den vergangenen zwei Jahren auch nur in die Nähe des Schlosses gekommen. Und so wurde aus der anfänglichen Entführung mehr und mehr eine Art Privileg. Als hätte man Zack einen ganz speziellen Platz in dieser neuen Welt zugedacht.
Warum gerade ihm? Alles, was er wusste, war, dass das Wesen, das ihm dieses Privileg verschafft hatte, in seinem Reich der absolute Herrscher war – und deshalb einen Grund haben musste, Zack an seine Seite zu rufen.
Die Geschichten, die man ihm erzählt hatte – von einem furchterregenden Giganten, von einem rücksichtslosen Mörder, vom fleischgewordenen Bösen – waren jedenfalls maßlos übertrieben. Der Meister war so groß wie ein ganz normaler erwachsener Mensch. Und für ein so altes Wesen wirkte er geradezu jugendlich. Er hatte durchdringende pechschwarze Augen, und hier erkannte Zack durchaus etwas Böses, Gewalttätiges, sollte man in diesen Augen in Ungnade fallen, doch tief in den Augen des Meisters – und Zack hatte oft die Gelegenheit, sie aus nächster Nähe zu beobachten – lag eine Dunkelheit jenseits allem Menschlichen, eine Weisheit, die an den Grund der Zeit reichte, eine Intelligenz, die mit einer anderen Welt verbunden war.
Der Meister war ein Wesen voller Magie. Eine dunkle Magie zugegebenermaßen, aber die einzige wirkliche Magie, die Zack je erlebt hatte. Die Welt hatte sich verändert. Gut war böse, Nacht war Tag, unten war oben. Und der Meister, der von diesem Schloss im Zentrum New Yorks aus seine Vampirhorden rund um die Welt befehligte, war der beste Beweis dafür. Ein Übermensch. Eine Gottheit.
Da war die Sache mit Zacks Asthma. Die Luftqualität in diesem neuen New York war äußerst schlecht: Die dicke Wolkenschicht drückte die Staubpartikel wie ein ungewaschenes Leintuch nach unten und ließ das Wetter praktisch stillstehen, woran die seltenen Brisen aus Richtung Meer nur wenig änderten. Überall wuchs Schimmel, überall wirbelten Sporen herum.
Aber Zack ging es gut. Ja, besser als nur gut: Seine Lunge fühlte sich an wie neu. Tatsächlich hatte er in all der Zeit, die er hier war, kein einziges Mal auch nur so etwas Ähnliches wie einen Asthma-Anfall gehabt. Seit zwei Jahren benötigte er keinen Inhalator mehr.
Sein Atmungssystem war nun von einer magischen Sub stanz abhängig, die weitaus effektiver war als Albuterol oder Prednison. Ein winziger Tropfen vom Blut des Meisters, einmal wöchentlich verabreicht, säuberte Zacks Lunge und ließ ihn frei atmen.
Zuerst hatte ihn die Prozedur angewidert – der Meister ließ das milchige Blut, das schwach elektrisch war und nach Kupfer und heißem Kampfer schmeckte, von seinem Finger auf Zacks ausgestreckte Zunge tropfen –, aber inzwischen erschien sie ihm wie ein Geschenk. Jeder Asthmatiker würde alles dafür geben, nie wieder die furchtbare Panik eines Anfalls zu empfinden.
Obwohl Zack das Blut des Meisters in sich aufnahm, machte ihn das noch nicht zu einem Vampir. Der Meister achtete strikt darauf, dass kein Blutwurm mit Zacks Zunge in Berührung kam; es schien ihm wirklich einzig und allein um Zacks Gesundheit zu gehen.
Und doch war der eigentliche Grund für Zacks Ehrfurcht vor dem Meister nicht die
Weitere Kostenlose Bücher