Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
mir meinen Sohn zurück!«
Und in diesem Augenblick explodierte hinter ihm das Bellevue Hospital.
Die Druckwelle war so stark, dass Eph nach vorne taumelte und sein Schwert das Genick des Vampirs durchstieß. Er konnte die Klinge gerade noch aus dem Kopf der Kreatur ziehen – da stürzten sie auch schon beide von der Mauer.
Eph landete auf dem Dach eines der Autos, die vor langer Zeit einfach mitten auf der Straße stehengelassen worden waren; der Vampir schlug einige Meter weiter auf dem Beton auf. Stöhnend setzte sich Eph auf und hielt sich die Hüfte, die die volle Wucht des Aufpralls abbekommen hatte. Über dem Pfeifen in seinen Ohren ertönte plötzlich ein kreischendes Geräusch. Er blickte hoch in den schwarzen Regen und sah, wie etwas raketenartig in den Himmel schoss, einen Bogen beschrieb und schließlich in den Fluss fiel. Einer der Gastanks aus dem Krankenhaus.
Im nächsten Moment schlugen überall um ihn herum Betonbrocken ein. Und Glassplitter fielen vom Himmel, die im Regen wie Juwelen glitzerten. Eph hielt sich die Jacke schützend vor das Gesicht und rutschte von dem verbeulten Auto herunter. Während er sich mühsam aufrappelte, bemerkte er zwei Glasscherben, die in seiner rechten Wade steckten. Mit zusammengebissenen Zähnen zog er sie heraus. Blut schoss aus der Wunde, das er mit den Händen zurückzuhalten versuchte – als er ein gurgelndes Krächzen hörte.
Der strigoi .
Er lag nicht weit von ihm entfernt auf dem Rücken. Weiße Flüssigkeit sprudelte aus seinem Hals – und trotzdem schien der Vampir noch immer vor Gier regelrecht zu glühen. Er roch Ephs Blut.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob Eph das Silberschwert auf, humpelte auf die Kreatur zu, griff nach dem zerschmetterten Kinn des Vampirs und drehte den Kopf in seine Richtung. Die roten Augen blitzten ihn an.
»Ich will meinen Sohn zurück, du mieses Arschloch!«, sagte Eph. Dann erlöste er den strigoi mit einem kräftigen Hieb. Beendete sein Gespräch mit dem Meister.
Stöhnend richtete sich Eph auf. »Zack«, flüsterte er. »Wo bist du?«
Und machte sich auf den Weg nach Hause.
Central Park
Das Belvedere Castle, am nördlichen Ende des Sees im Central Park an der 79th Street Transverse Road gelegen, war ein 1869 von Jacob Wray Mould und Calvert Vaux, den ursprünglichen Architekten des Parks, errichteter viktoria nisch-neuromanischer Prachtbau. Nicht dass das Zachary Goodweather sonderlich interessiert hätte; aus seiner Sicht war es einfach nur cool : ein mittelalterliches Spukschloss mitten in New York City. Als Kind hatte er sich immer Geschichten rund um das Schloss ausgedacht – etwa, dass winzige Trolle die gigantische Festung im Auftrag des Stadtgründers errichtet hatten, eines dunklen Fürsten namens Belvedere, der in den Katakomben unter dem Schloss lebte und nachts das Gebäude und den Park heimsuchte. Das war zu jener Zeit, als sich Zack vor der Langeweile des Alltags noch in bunte Fantasy- und Horrorgeschichten flüchten konnte.
Nun aber war der Horror Wirklichkeit geworden. Hatten seine Phantasien, seine Tagträume, seine geheimen Sehnsüchte von früher Gestalt angenommen.
Er stand im Schlosseingang – inzwischen ein junger Mann – und starrte in den Regen. Sah zu, wie die Tropfen auf den Schildkrötenteich einprasselten, früher ein algenreiches, grün schimmerndes Gewässer, jetzt ein trübes, fast schon schwarzes Wasserloch. Wie immer hingen dunkle Wolken über dem Schloss, und ohne das Blau des Himmels gab es auch kein Blau des Wassers. Für gerade mal zwei Stunden am Tag sickerte ein fahles Licht durch die dichte Wolkendecke, so dass Zack die Dächer der Stadt sehen konnte – und den Sumpf, zu dem der Central Park ge worden war und der ihn an den Planeten Dagobah aus Star Wars erinnerte. Die mit Sonnenkollektoren ausgestatteten Parklampen konnten in dieser kurzen Zeit nicht genug Energie sammeln, um die restlichen zweiundzwanzig Stunden Dunkelheit zu erhellen; ihr Licht erlosch unmittelbar, nachdem die Vampire aus den unterirdischen Verstecken zurück in ihre Schattenwelt kamen.
Zack hatte sich in den zurückliegenden Monaten deutlich verändert: Er war in den Stimmbruch gekommen, seine Kieferpartie war markanter, und es schien, als hätte jemand seinen ganzen Körper in die Länge gezogen. Jetzt trugen ihn muskulöse Beine die schmale Wendeltreppe nach oben, die zum Henry-Luce-Observatorium im zweiten Stock führte. An den Wänden standen noch immer die Glasvitrinen mit all den
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