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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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näher am nördlichen Polarkreis.»
    Janes Wochenendjob hatte ihren Alltag verändert. Es war gut, dass sie einen Job hatte, aber weniger gut, dass sie samstags dort übernachten musste, denn so hatten sie nur noch den Sonntag, und das war für Merrily ein Arbeitstag. Also blieb der Sonntagabend, und der war nun auch weg.
    Außerdem störte es Merrily, dass Jane in einem Hotel arbeitete und dort übernachtete. Es war zwar dumm, aber Merrily musste immer an Donna Furlowe denken, die ungefähr in Janes Alter gewesen war, als sie einen Ferienjob in einem Hotel gehabt hatte, plötzlich verschwunden und viel später ermordet aufgefunden worden war.
    «Alles in Ordnung, Mom?»
    «Warum willst du denn dortbleiben?» Es klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte. «Tut mir leid. Wollen sie, dass du bleibst?»
    «Sie könnten meine Hilfe gut gebrauchen.»
    «Mmm.» Es war klug, in so einer Situation nicht zu viele Fragen zu stellen, um die Illusion von Vertrauen aufrechtzuerhalten.
    «Wenn du dich allein fühlst», sagte Jane unbekümmert, «kannst du ja Lol anrufen.»
    «Jane ...»
    «O, nein, heute ist ja
Sonntag
! Da darfst du es natürlich nicht riskieren, dass ein Mann dabei beobachtet wird, wie er sich ins Pfarrhaus schleicht ... an einem Sonntag. Und dass er womöglich ...
unvorstellbar
 ... erst am Montag wieder geht!»
    Merrily sagte nichts.
    «Wann werdet ihr beiden eigentlich endlich erwachsen?», sagte Jane.

2  Das Spiel hat begonnen
     
    «Und hier liegt sie ... und ihr Blut tränkt den Teppich.»
    Er legte eine Pause ein, schlank und elegant in seinem schwarzen Anzug, und schien durch die Leute hindurchzustarren, die ihn aus den Schatten heraus beobachteten. Die Strahlen der Tischlampe mit dem Milchglasschirm ließen seine Augen aufblitzen. «Oh mein Gott», flüsterte eine Frau.
    Jane dachte:
Und das sollen erwachsene Menschen sein.
    Nun wirbelte er herum und richtete seinen Blick auf den Mann in dem brokatbezogenen Ohrensessel. Der Mann rutschte unbehaglich herum. Und die gestärkten weißen Manschetten scheuerten an Janes Handgelenken.
    «... Und dann sind Sie in den Raum geschlichen und haben gewartet, bis alles im Haus ruhig war. Um welche Zeit mag es so weit gewesen sein? Um Mitternacht? Oder eine Viertelstunde später? Ja, sagen wir, Viertel nach zwölf ... schließlich war heute um genau null Uhr siebzehn Vollmond, und das hat wohl Ihren Sinn fürs Dramatische angesprochen.»
    Die Glut des heruntergebrannten Kaminfeuers und der flackernde Öldocht erfüllten den Salon mit lebhaften Schatten. Jane gab ihren Widerstand auf. Sie war so oder so Teil des Spiels.
    «Hohles Geschwätz», sagte der Mann in dem Ohrensessel.
    «Oh, das glaube ich nicht, Major.
Ich
glaube, dass Sie kaum eine halbe Stunde nach dem Mord erneut die Treppe hinunter und ins Studierzimmer geschlichen sind, um mit möglichst großem Lärm Schubladen auf den Boden und Möbel umzuwerfen. Und danach haben Sie mit dem Griff Ihres Gehstocks nicht nur ein, sondern
zwei
Fenster eingeschlagen.»
    «Sir, ich muss schon sagen, Ihre Phantasie ist noch absonderlicher als Ihr grauenvolles Geigenspiel.»
    Eine schlanke Hand wischte die Beleidigung beiseite. «Und dann sind Sie ganz leise die Treppe wieder hinaufgestiegen und in Ihr Zimmer gegangen, nur um einen Augenblick später, vermeintlich gerade in Ihren Morgenmantel schlüpfend, fluchend und schäumend vor Wut auf dem großen Treppenabsatz aufzutauchen.»
    Jane erinnerte sich gut daran. Es war richtig bedrohlich gewesen. Sie hatte schon etwa zwanzig Minuten im Bett gelegen, als dieses irre Gebrüll zu hören gewesen war.
«Wer ist da? Wer veranstaltet hier diesen verdammten Krach? Was zum Teufel geht da vor?»
    Als sie die Nachttischlampe anknipsen wollte, funktionierte sie nicht. Und dann, als sie aufgestanden war, stellte sie fest, dass auch das Deckenlicht nicht ging. Bevor sie das Zimmer verließ, hatte sie sich gerade noch rechtzeitig an die Regel erinnert: Lass dich außerhalb deines Zimmers nicht in deiner normalen Kleidung sehen, ganz gleich, was passiert. Ihre Jeans und so weiter waren sowieso in der Reisetasche unterm Bett, also hatte sie dieses grässlich unbequeme, schwarze Zimmermädchenkleid im edwardianischen Stil angezogen, bevor sie sich in den kalten und dunklen oberen Flur hinauswagte, nur um festzustellen, dass
keine einzige
elektrische Lampe funktionierte. In dem gruseligen grünlichen Schimmer des Rauchmelders tastete sie sich die Treppe hinunter und fand die

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