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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gut ...»
    «Das glaube ich gern.» Dieser Mann hatte nämlich im Dienste der Gesundheitsvorsorge Frauen aus Ledwardine und den umliegenden Dörfern beim Freizeit-Jogging angeführt. Jedenfalls bis seiner Frau zugetragen worden war, dass für einige ausgewählte Frauen der eigentliche Freizeitspaß erst nach der Joggingrunde angefangen hatte. «Und wie sehen Sie diese Sache?»
    «Ich sage immer: Man soll den Leuten ihre Illusionen lassen. In meinem Beruf hat man selten Gelegenheit, so gute Nachrichten zu übermitteln. Und wenn es Ihnen hilft, in diesen schwierigen Zeiten Ihre Kirche vollzukriegen ...»
    «Das ist sehr großzügig von Ihnen, Doktor. Wir haben wirklich jeden Krümel nötig, der irgendwo unter den Tisch fällt.»
    «Ganz unter uns: Es
könnte
sich um eine medizinische Anomalie handeln, aber ich vermute eher, dass bei der ersten Untersuchung im Krankenhaus ein Fehler passiert ist. Ein technischer Fehler bei der Geräteeinstellung oder eine Namensverwechslung, es könnte viele Erklärungen geben.»
    «Sie meinen, Ann-Marie Herdman hatte niemals einen Tumor.»
    «Das kann ich natürlich auch wieder nicht sagen.»
    «Aber Sie müssen doch einen Grund gehabt haben, sie an einen Facharzt zu überweisen.»
    «Dafür sind Fachärzte schließlich da, damit sie eventuelle Unsicherheiten ausräumen.»
    «Natürlich.»
    «Aber Fehler passieren überall. Das lässt sich nicht vermeiden.»
    «Und trotzdem haben Sie den Prossers gesagt, dass Sie der Sache nachgegangen sind und keinen Hinweis darauf finden konnten, dass Untersuchungsergebnisse verwechselt wurden, oder so.»
    «Merrily, heutzutage, wo jeder gleich einen Prozess anstrengt ...»
    «Ich verstehe.»
    «Wie auch immer», sagte Asprey. «Ich dachte, Sie sollten meine Meinung kennen. Immerhin kann es für jemanden in Ihrer Position ziemlich peinlich werden, wenn die Leute so eine Sache zu etwas aufbauschen, was es nicht ist.»
    «Ja», sagte Merrily. «Das war sehr aufmerksam von Ihnen.»
    Als er aufgelegt hatte, betrachtete sie den Kunstdruck, der ihrem Schreibtisch gegenüber an der Wand hing. Der Mond über Paul Klees Dachlandschaft hatte einen ganz zarten Blauton. Dann senkte sie den Blick auf ihren Predigtblock und sah, dass sie in Druckbuchstaben unter den Apfel die Worte ARROGANT und BLÖDMANN geschrieben hatte.
     
    Als es dunkel wurde, ging Merrily die Kirche abschließen und warf auf dem Rückweg einen Blick auf die Gebetstafel, auf die die Gemeindemitglieder die Namen derjenigen schreiben konnten, für die gebetet werden sollte.
    Es standen doppelt so viele Namen darauf wie normalerweise.
    Zurück in ihrem Spülküchenbüro hatte sie noch etwa zwanzig Minuten Zeit, bevor Janes Schulbus kommen würde. Sie gab die Nummer von Sophies Büro im Torhaus der Kathedrale ein. Es war an der Zeit, einen Gesprächstermin mit dem Bischof Bernie Dunmore auszumachen.
    «Torhaus.» Männliche Stimme.
    «Herr Bischof?»
    «Merrily Watkins, welche Überraschung», sagte Bernie schniefend. «Anscheinend habe ich mich erkältet. Sophie holt mir gerade irgendein Kräuterzeug aus der Apotheke, auf das sie schwört.»
    «Bernie», sagte Merrily, «welche Position vertreten wir eigentlich in Bezug auf Heilungen?»
    «Welche Art von Heilungen?»
    «Geistliche.»
    «Wir haben einen ausführlichen Bericht darüber herausgebracht», erinnerte sie der Bischof.
«Eine Zeit für Heilungen.»
    «
Eine Zeit, um zu heilen
, heißt er. Aber ich meine mit
wir
die Diözese, nicht die Kirche.»
    «Oje», sagte der Bischof. «Haben Sie denn gar kein Mitleid mit einem erkälteten Mann? Es ist schließlich Ihre Abteilung, über die wir hier sprechen, oder? Heilung und Hilfe bei spirituellen Grenzfragen.»
    «In meiner Arbeitsplatzbeschreibung steht ausschließlich spirituelle Grenzfragen. Heilung klingt, als hätte irgendein Imageberater der Kirche von England zu einer weichgespülten Ausdrucksweise geraten.»
    «Haben Sie damit ein Problem?»
    «Möglicherweise. Ich habe einen leicht experimentellen Sonntagabend-Gottesdienst eingeführt», sagte Merrily. «Keine besondere Liturgie, offene Gespräche. Ich dachte, es würde funktionieren. Das Angebot hat immerhin ein paar Dorfbewohner in die Kirche gebracht, denen bisher nicht mal aufgefallen wäre, wenn der Kirchturm umfällt. Sogar Jane ist ein paarmal gekommen. Also ... immerhin ein bescheidener Erfolg.»
    «Das höre ich gern.»
    «Die Leute sagen sogar, sie dringen tiefer in das Verstehen und das Bewusstsein des Glaubens ein.

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