Die Nacht Der Jaegerin
Außerdem stellen sie fest, dass sie einen Gratiskurs in Meditation bekommen können. Aber ich hatte nicht vor ... Ich meine, ich wollte keinen Heilungsgottesdienst einführen. Wir haben zwar für eine Frau gebetet, bei der ein bösartiger Tumor festgestellt worden war, aber solche Gebete sind ja nichts Ungewöhnliches. Allerdings hat diese Frau eine Woche später erfahren, dass sie keinen Tumor mehr hat.»
«Glückwunsch», sagte der Bischof.
«Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich freue ich mich sehr ...»
«Aber Sie fragen sich, ob das eine Antwort auf Ihre Gebete war.»
«Der Dorfarzt hat mich angerufen, um zu betonen, dass es vermutlich eine Fehldiagnose war. Oder ein technisches Problem mit dem Tomographen. Oder dass Unterlagen verwechselt worden sind – und dass im äußersten Fall eine höchst seltene medizinische Anomalie vorliegen könnte. Allerdings steht er damit ziemlich alleine da angesichts all dieser Leute, die viel lieber glauben wollten, dass
etwas
passiert ist ...»
«Klar.»
«Aber ... Bernie, sie bringen jetzt schon Kranke in die Kirche. Heute Morgen wurde ich gefragt, ob ich eine Asthmaerkrankung heilen könnte, auch wenn der Betroffene kein Gemeindemitglied ist.»
«Glauben die Leute denn, Sie hätten verborgene Talente als Heilerin?»
«Ich betone immer wieder, dass eine eventuelle Heilung ganz bestimmt nicht mir zuzuschreiben ist, aber anscheinend glauben sie, die Beraterin für spirituelle Grenzfragen hätte einen direkten Draht zum lieben Gott. Als wäre ich ein Notfalldienst wie die Feuerwehr oder die Polizei. Meine Sonntagabend-Gottesdienste sind ... missverstanden worden.»
Der Bischof schnaufte so heftig ins Telefon, dass Merrily beinahe das Gefühl hatte, die Grippeerreger würden durch die Leitung kommen. Dann sagte er: «Sie wissen doch, dass Jeavons zurück ist, oder?»
«Jeav...? Oh.»
«Ich meine, für den Fall, dass Sie mit jemandem ausführlicher darüber sprechen möchten. Mit jemandem, der sich damit auskennt, im Unterschied zu einem alten, kranken Bischof wie mir, der seit Ewigkeiten hauptsächlich Verwaltungsarbeit macht. Ich dachte nur, wo doch Huw Owen im Moment nicht da ist ...»
«Ich kenne Jeavons nicht persönlich.»
Der Bischof putzte sich die Nase. «Sie sind nicht die Erste, die in letzter Zeit das Thema Heilungen aufbringt. Üblicherweise werden Heilungs-
Gruppen
gebildet. Ich denke, wir sind uns alle einig darin, dass es besser ist, die Last zu teilen. Ich denke auch an ökumenische Möglichkeiten, besonders zusammen mit den Katholiken.»
Merrily dachte an die katholischen Pfarrer, die sie kannte, und malte sich aus, wie sie auf den Vorschlag reagieren würden, mit einer Frau zusammenzuarbeiten.
«Jeavons ist in Worcestershire, oder?», sagte Merrily.
«Er war vorher viel im Ausland. Jetzt ist er in so einer Art Altersteilzeit. Ziemlich verfrüht übrigens. Vor ein paar Jahren wollten sie ihn unbedingt zum Bischof machen – Canterbury, wurde gemunkelt. Es gab ziemlich pikierte Reaktionen, als Jeavons ihnen den Bettel hingeworfen und gesagt hat, er ginge lieber in den Ruhestand. Wie sich dann herausstellte, wollte er ausreichend Freiheit haben, um seinen speziellen Interessen nachzugehen. Er ist einem von diesen Psycho-Chirurgen in Chile nicht mehr von der Seite gewichen.»
«Auf Kosten der Kirche?»
«Keine Ahnung. Aber meinen Informationen zufolge ist er wieder im Lande und steht ausgewählten Klerikern als Berater zur Verfügung. Allerdings wurde mir einmal gesagt, man sollte am besten überhaupt niemanden zu ihm schicken.»
«Huw hat mal von ihm gesprochen», sagte Merrily. «Nur ...»
«Es soll nämlich schon vorgekommen sein, dass Jeavons Leute, die am Rande einer Krise gestanden haben, erst so richtig reingeritten hat.»
«Huw meinte, dass Jeavons verrückt ist», sagte Merrily.
Die Tage des Mittelalters, in denen Gläubige ihre Lahmen und Kranken in der Hoffnung auf Heilung zum Schrein des heiligen Thomas Cantilupe in der Kathedrale von Hereford geführt hatten, waren lange vorüber. Die Kirche der Gegenwart hatte ein eher reserviertes Verhältnis zu Wunderheilungen. Man betete natürlich für Kranke, zündete eine Kerze an, und wenn es eine Behandlungsmethode gab, dankte man Gott. Darüber hinaus aber hatte man erhebliche Vorbehalte.
Während sich Jane umzog, suchte sich Merrily den Bericht
Eine Zeit, um zu heilen
heraus. Im Vorwort bezog sich George Carey, der Erzbischof von Canterbury, auf die «Forderung
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