Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
hinuntergefallen. Sehr eng und geheimnisvoll sah sie aus, diese Treppe, dachte Danny, ganz besonders im Licht der Taschenlampe.
    Ein dicker schwarzer Eichenbalken verlief über der Treppe wie ein Keil, der die Wände auseinanderstemmte. Vermutlich hatte es unter dem Balken früher eine Tür gegeben, damit das Treppenhaus nicht auskühlte. Das Pfarrhaus von Ledwardine war sehr alt, und es sah so aus, als sei in diesem Teil nicht viel verändert worden, seit die kleingewachsenen Typen aus der Tudor-Zeit die Treppe hinauf- und hinuntergewieselt waren.
    Im Lauf der Jahrhunderte mussten einige Menschen in diesem Haus gestorben sein, und vielleicht waren sie über diese Treppe hinausgebracht worden.
    Aber nicht so. Verdammt, Danny wurde richtig übel.
    Der hier sah aus, als hätte ihn eine unerwartete, heftige Windbö zurückgeworfen. Er lag mit dem Kopf nahe an der Küchentür, die Arme ausgestreckt, die Hände berührten an beiden Seiten die Wände, und die linke Hand war blutig aufgeschürft.
    Auch unter dem weißen Handtuch war Blut – auf seinem Gesicht. Blut und andere feuchte Substanzen hatten das dünne Handtuch durchnässt, sodass man die ungefähre Form seiner Gesichtszüge erkennen konnte. Wie die Abdrucksform einer Totenmaske, dachte Danny, der die Taschenlampe mit beiden Händen festhielt, weil er so zitterte.
    Echt, man verkraftete schließlich pro Nacht nur ein gewisses Maß an Schocks.
    Danny begann sich schon in die Küche zurückzuziehen, als er sah, dass sich Gomer herunterbeugte, um dem Toten das Handtuch vom Gesicht zu ziehen.
    «Nein!»
Danny fuchtelte vor Entsetzen wild mit der Taschenlampe herum. Er und der Typ in der dunklen Küche schrien gleichzeitig auf.
    Gomer richtete sich auf und zuckte mit den Schultern.
    «Die Polizei will bestimmt nicht, dass wir irgendwas anrühren.» Dannys Mund war trocken wie die Wüste.
    «Und das wollen Sie sowieso nicht sehen», sagte Lol Robinson. «Das können Sie mir wirklich glauben, Gomer.»
    Gomer stapfte in die Küche zurück und tastete nach seiner Tabaksdose.
    «Können wir jetzt die Tür zumachen?», sagte Lol.
    Als die beiden wieder in der Küche waren, drückte er die Tür vor der Hintertreppe und der Leiche zu, und dann führte er sie in einen anderen Raum, in dem Danny als Erstes die Bernsteinaugen einer schwarzen Katze wahrnahm, die auf einem Schreibtisch saß und sich die Pfoten leckte.
    «Ich ... mache Tee, sobald das Wasser kocht», sagte Lol.
    «Das wär gut.» Danny konnte ihn jetzt zum ersten Mal richtig ansehen. Ein Brillenglas fehlte, von einem Auge bis zum Kinn zog sich eine dünne Blutspur. Dieser Lol Robinson war zehn oder fünfzehn Zentimeter kleiner als der gerade verstorbene Dexter Harris und ungefähr zwanzig oder fünfundzwanzig Kilo leichter. Wie hatte er das gemacht?
Wie?
    Als sie ins Haus gekommen waren, hatte Lol Robinson hier hinten gesessen und mit dem Arzt telefoniert, weil er wissen wollte, wie es Alice ging. Anscheinend kam bei diesem Wetter kein Krankenwagen durch, und die Rettungshubschrauber durften nachts grundsätzlich nicht landen, ob Schnee lag oder nicht. Also hatten der Arzt und die Gemeindeschwester Alice in das kleine Versorgungszimmer der Arztpraxis gebracht.
    Die Polizei war auch noch nicht durchgekommen, aber sie war auf dem Weg.
    «Jaja, diese alten Balken», sagte Gomer nachdenklich. «Sin härter als Stahlträger. Je älter so ’n Eichenbalken wird, umso härter isser. Bin selbst mal gegen einen gelaufen – mit ganz normalem Tempo, nich gerannt oder so – un als Nächstes lieg ich platt aufm Boden un weiß nich mal mehr, welcher Tag is.» Er sah Lol an. «War’s so ungefähr?»
    «Er ist wie ein irrer Kampfstier aus der Küche ins Treppenhaus gerannt», sagte Lol. «Hat gebrüllt wie verrückt. Und es war natürlich stockfinster dahinten. Und dann ist es passiert ... das Geräusch werd ich nie im Leben vergessen. War das klar genug?»
    Scheiße
, dachte Danny.
Logisch, verdammt.
    «Verflucht», sagte er. «Das muss ihm ja beinahe den Kopf abgerissen haben.»
    «So ungefähr.»
    «Also, jetzt hörste mal genau zu, mein Junge.» Gomer zündete sich eine Zigarette an. «Ich geb dir jetzt mal ’nen Rat. Ich vermute, es war eigentlich so, dass du vor dem Kerl
weggelaufen
bist.»
    «Na ja, es ...»
    «Nein, hör zu! Stell dir mal vor, irgendeiner käm auf die Idee, du wärst extra dahinten rein ins Dunkle geschlichn, weil
du
nämlich über den Balken Bescheid gewusst hast, während
er
noch nie dahinten

Weitere Kostenlose Bücher