Die Nacht Der Jaegerin
vor die Bürotür. Sie erwartete, ein Telefonat mithören zu können. Stattdessen hörte sie erschrocken, dass Merrily weinte, konnte aber nicht entscheiden, ob es nach Erleichterung oder nach Verzweiflung klang.
Dann klingelte das Telefon an der Rezeption.
«Jane?»
«Irene! Seid ihr noch nicht losgefahren?»
«Ich fahre nicht. Ich habe ein paar Stunden im Netz gesurft. Und dann habe ich beschlossen, nicht in die Schweiz zu fahren. Das ist kein Problem. Es bedeutet, dass Lowri ihre Schulfreundin mitnehmen und ich mir Pizza statt grässlichen Truthahn reinstopfen kann.»
«Irene, dass ist ...»
«Sag nichts, Jane. Du weißt, wer diese Brigid ist, oder?»
«Ich ...»
«Das ist die verdammte Brigid Parsons. Dieser Textausdruck stammt von einer perversen Website namens
veryverybadgirls.com
, auf dem kranke Typen in der gesamten englischsprachigen Welt ihre masochistische Besessenheit von Frauen durchhecheln, die gern Männer oder Jungs verletzen. Oder töten, in den meisten Fällen. Du weißt, wer Brigid Parsons ist, oder?»
«Also ... ja.»
«Und das ist nicht alles», sagte Eirion. «Das ist noch längst nicht alles. Das gefällt mir nicht, Jane.»
51 Veryverybadgirls
Noch nie hatte das Weinen Merrily so erleichtert. Nachdem sie sich das Gesicht mit ein paar Erfrischungstüchern aus ihrer Handtasche abgewischt hatte, war sie aus Bens Büro gegangen und auf Jane gestoßen, die sie mit einer Kerze auf einem Zinnteller und dem Laptop erwartete, das sie sich bei Matthew Hawksley ausgeliehen hatte.
Jane hatte mit Eirion telefoniert, von dem Merrily irgendwie geglaubt hatte, er wäre über Weihnachten weggefahren. Und wieso schlief er eigentlich nicht um diese Uhrzeit?
Nichts war mehr normal.
Jane stellte das Laptop auf den Tresen bei der Rezeption und stöpselte es in die Telefonbuchse. Merrily beobachtete, wie sich auf dem Bildschirm ein wilder Farbensturm erhob.
Veryverybadgirls.com
«Das ist nicht die wichtige Seite», sagte Jane, «aber du musst sie vorher gesehen haben.»
Ben Foley sah aus, als hätte er den Kopf unter den Wasserhahn gehalten, um sich wiederzubeleben.
«Wir hätten miteinander reden sollen.» Sein zurückgestrichenes Haar war feucht und glatt, sein längliches, schmales Gesicht noch von dem Handtuch gerötet, mit dem er es abgerieben hatte. «Wir hätten schon lange miteinander reden sollen. Jetzt halten Sie mich für eine Art Betrüger, und Jane hasst mich.»
«Ach, meine Gefühle sind wie ein Fähnchen im Wind», sagte Jane.
Sie gingen in Bens Büro. Er schloss die Tür.
«Bevor Sie irgendetwas sagen, Amber hat mir von ... Brigid Parsons erzählt.»
«Wussten Sie das wirklich nicht?», sagte Merrily.
«Ich schwöre, dass ich nichts darüber wusste. Und ich sage Ihnen noch etwas – wenn ich es gewusst hätte, dann hätte ich ihr den Job
trotzdem
angeboten.»
«Natürlich hätten Sie das. Womöglich aus dem gleichen Grund, aus dem sie ihn abgelehnt hätte, wenn sie gedacht hätte, Sie wüssten Bescheid. Was mich aber viel mehr interessiert ... Wie lange kennen Sie Antony Largo schon?»
«Ach.» Er rückte einen Stuhl zurecht. «Besser, Sie setzen sich.»
Jane klappte auf dem Schreibtisch das Laptop auf und rief
veryverybadgirls.com
auf. Ben betrachtete die Seite mit angewiderter Miene. «Gibt es einen bestimmten Begriff für solche Männer?»
«Ich bin sicher, dass wir uns einen denken können», sagte Merrily.
«Einen Begriff ... oder so einen Mann?»
«Beides?» Jane rief die zweite Seite auf. «Also», sagte Merrily. «Das ist zufällig ein Querverweis oder wie man das nennt von
veryverybadgirls.
Auf die Art hat Janes Freund die Seite gefunden. Er hatte schon Informationen zu Antony Largo gesammelt, als er mitbekam, dass Jane mit ihm arbeitet. Und dabei hat er diese Seite gefunden.»
Die offizielle Website der Mitternachtsfrauen
«Aha», sagte Ben wenig überrascht.
«Kennen Sie das schon?»
«Nein, ich interessiere mich nicht fürs Internet, aber es hätte mich gewundert, wenn es keine solche Seite geben würde.»
«Scheint eine richtige Fanseite zu sein, oder? Videobearbeitungen mit Zusatzmaterial, all die hässlichen Einzelheiten, die einem die Fernsehfassung vorenthalten hat.»
«Ich habe diese sogenannten Director’s Cuts nie gemocht. Wenn ein Film fertig ist, ist er fertig.»
«Ich glaube, wir haben es hier eher mit Geilheit als mit künstlerischem Interesse zu tun. Was aus dieser Seite spricht – und aus der
badgirls
-Seite
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