Die Nacht Der Jaegerin
körperliche Kraft – bekäme, ihren Bruder zu rächen.»
«Aber hat sie es getan?», sagte Merrily. «Hat sie es tatsächlich getan? Diese Geschichte ist sehr weit verbreitet. Ich wette, man findet sie in tausend Varianten überall in England.»
«Nun ja, Ellen scheint im Allgemeinen eine gute und gläubige Frau gewesen zu sein, die um ihren Ehemann trauerte, seinen kopflosen Leichnam bestattete und nie wieder heiratete. Dennoch haben wir es zweifellos mit einem Fluch zu tun – oder mit einer genetischen Disposition, je nachdem, wie man es nennen will –, der in der
weiblichen Linie
weitergegeben wird. Hattie hat ihren Ehemann umgebracht, Paula hat sich selbst umgebracht und ... Natalie ...»
«Natalie ist möglicherweise in den Tod ihres Cousins verwickelt», sagte Merrily. «Wir können noch ewig darüber spekulieren, woher es kommt, aber nun
wissen
wir von drei Generationen ...»
«Und was sollen wir jetzt tun, Mrs. Watkins?»
Die große Frage.
Die Heilung der Ahnen. Die Heilung der Toten.
Der Lichtkreis der Tischlampe erinnerte an einen Vollmond. Merrily ging hinüber.
«Wir können einen Exorzismus lediglich auf etwas Dämonisches anwenden, das nicht ... menschlichen Ursprungs ist. Vielleicht nennt sich Vaughan in der alten Geschichte ja deshalb einen Teufel. Um es zu legitimieren. Hattie Chancery dagegen ... ich meine ... sie war vielleicht nicht immer der liebenswerteste Mensch, den man sich vorstellen kann, aber ...»
Der Fernsehproduzent Antony Largo sagte hinter seiner Kamera: «Das klingt nach dem, was mein alter Dad verweichlichten Liberalismus genannt hätte.»
«Nein, es ist eher ... christliches Denken.»
«Ach, klar.»
«Ich wollte gern warten, bis es hell wird, und dann ein Seelenamt für Hattie Chancery abhalten. Für alle, die sich mit den Begrifflichkeiten nicht so auskennen: Es ist im Grunde genommen ein Beerdigungsgottesdienst mit Heiliger Kommunion. Und die Absicht dahinter ist es, Hatties Seele Frieden und Gott in dieses Haus zu bringen.»
Antony Largo lächelte Amber zu. «Scheint sich ja zum Dauerproblem für Sie zu entwickeln. Nie kriegen Sie Gäste, die auch für die Zimmer zahlen.»
Merrily seufzte. «Nur so eine Frage, Mr. Largo ... Sie sind kein Christ, oder?»
«Sehr scharfsinnig von Ihnen, Mrs. Watkins.»
«Und sehr anständig von Ihnen, es zuzugeben ...»
«Oh, ehrlich gesagt bin ich sogar ein bisschen stolz darauf.»
«... weil es nämlich gewissermaßen zu Ihrem Ausschluss führt.»
«Wie bitte?» Largo runzelte die Stirn. «Zu meinem
Ausschluss
?»
«Ebenso wie dem jedes anderen, der kein Christ ist. Wir können es uns nicht erlauben, so etwas auf die leichte Schulter zu nehmen. Es ist nicht wie dieser angebliche Exorzismus der Chancerys – mit ein paar Leuten, die sich als Geistliche verkleiden. Es muss echt sein, oder wir können es gleich bleibenlassen.»
«Echt?»
«Normalerweise würde ich in so einem Fall überhaupt nichts ohne die Unterstützung von sagen wir ... zwei weiteren Geistlichen machen. Man braucht so etwas wie eine breite Front. Es darf keine Schwachstellen geben, und deshalb müssen alle im Raum Christen sein. Hat irgendwer Probleme mit dieser Regelung? Mrs. Foley?»
«Na ja ...» Amber wirkte unsicher. «Ben und ich haben in der Kirche geheiratet. Ich bin getauft, wurde sogar mit vierzehn gefirmt.»
«Gut. Da Sie die Besitzer dieses Hauses sind, wäre es gut, wenn Sie beide dabei wären, aber denken Sie vorher darüber nach, wo Sie in dieser Sache stehen, darüber, ob Sie wirklich glauben, dass dieser Gottesdienst etwas verändern kann.»
«Das sehe ich genauso», sagte Antony Largo. «Ich finde auch, dass Sie sehr genau darüber nachdenken sollten, wo Sie in dieser Sache stehen. Und was mich angeht: Nachdem ich diese höllische Fahrt hinter mich gebracht habe, werde ich mich nicht von der einzigen Organisation zum Affen machen lassen, deren Quoten schneller sinken als die der miesesten Fernsehsendung. Entweder bin ich überall dabei, oder ich breche hier ab.»
«Das liegt ganz bei Ihnen, Antony», sagte Amber.
«Also ...» Merrily ging wieder zu ihrem Stuhl zurück. «Uns bleiben ein oder zwei Stunden zum Nachdenken. Ich dachte, wir machen es zwischen halb sieben und sieben. Dann ist, wenn wir fertig sind, die Sonne aufgegangen. Ob wir sie sehen können oder nicht.»
50 Schisser auf freiem Fuß
Sein Gesicht war mit einem weißen Geschirrhandtuch bedeckt.
Er lag, als wäre er rücklings die Treppe
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