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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Hexenhut-Turm, aber man blickte über ein Waldstück und über das lange Plateau des Hergest Ridge, über dem ein leicht orangefarbener Mond stand. Das Turmzimmer war wirklich gruselig. Zimmer, in denen Geister umgingen, waren ja grundsätzlich unheimlich interessant – solange es sich nicht um das eigene Zimmer handelte. Wenn Eirion bei ihr gewesen wäre, hätte das alles natürlich ganz anders ausgesehen. Es hätte ... beinahe lustig sein können.
    Aber Jane hatte ihn schon zwei Wochen lang nicht mehr gesehen. Und in ein paar Wochen würde er, statt irgendeine romantische Weihnachtsreise mit ihr zu unternehmen, mit seiner stinkreichen walisischen Familie nach Sankt Moritz oder auf irgendeinen anderen dieser geschmacklosen, überteuerten Spielplätze für gelangweilte Vollidioten fahren. Die Reise war schon vor Monaten organisiert worden, bevor Jane den Job bekommen hatte, und sie hätte mitfahren können – auch wenn ihre Mutter nur Pfarrerin war und sich mit einem Hungerlohn abspeisen ließ, hätten sie sich etwas einfallen lassen können.
    Klar. Zum Beispiel hätten sie bei der Wohlfahrt Beihilfe beantragen können.
    Jane war gereizt und unzufrieden.
    Ein winziges Licht bewegte sich unter dem Hergest Ridge, als wäre dort jemand mit einer Taschenlampe unterwegs. Vielleicht waren es wieder die Typen mit den Gewehren, die Ben von seinem Grund und Boden verjagt hatte. Männer, die im Dunkeln mit Gewehren herumliefen – das konnte nichts Gutes bedeuten.
    Aber vielleicht war es ja auch bloß Jeremy. Clancy hatte erzählt, dass er oft nachts unterwegs war, um nach seinen Tieren zu sehen. Und dass Jeremy mit dem Bauernhof verheiratet wäre, hatte Clancy gesagt, sodass sich ihre Mutter vermutlich besser keine Hoffnungen machte. Und Jane hatte gedacht:
Huch?
Sie verstand nicht, wie Clancy die Situation so herum sehen konnte. Wenn man Natalie, diese coole, unbekümmerte Schönheit, mit Jeremy sah, dem stämmigen, menschenscheuen Bauern, der kaum die Zähne auseinanderbrachte und dessen Haar an Wollmäuse erinnerte, die man unter dem Bett fand, war die einzige Reaktion:
Wie jetzt?
Aber ganz gleich, wie diese ungewöhnliche Verbindung zustande gekommen war, für Jeremy musste jedenfalls jeder Tag ein Feiertag sein.
    Das Licht ging aus oder verschwand im Wald oder so. Jane zog die Fleece-Jacke aus, kroch wieder ins Bett und wünschte sich, Eirion wäre da. Und zwar hier und jetzt. Noch dazu, wo Eirion sich unheimlich für Film interessierte, schon ein Praktikum bei einem Dokumentarfilm-Team gemacht und einen Vater mit Verbindungen zum walisischen Fernsehen hatte.
    Ein Gewehrschuss in der Ferne jagte Jane wieder aus dem Bett und ans Fenster.
    Nichts. Keine Lichter.
    Sie hatte Ben gesagt, dass die Typen in der Nacht vom letzten Sonntag nah am Haus gewesen waren. Ja, sogar so nah, dass es einer von ihnen bis in Janes Kopf geschafft hatte. Sie war ungefähr um drei Uhr morgens im Turmzimmer aufgewacht, und in ihrem Kopf hatte ein einzelner, kolossal lauter Schuss nachgehallt ... die schwingende, schallende Explosion hatte sie mit einem Schlag geweckt, und sofort waren Horrorvorstellungen von Hirntumoren oder Schlimmerem aufgetaucht, ihr war schlecht und schwindlig vor Angst geworden, und das große Zimmer erschien ihr auf einmal viel zu klein, geradezu klaustrophobisch, sodass sie zum offenen Fenster rennen musste, um in der kalten Nachtluft wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
    So. Es war draußen. Sie war es losgeworden.
    Und diese Erscheinung gehörte bestimmt in Moms Feld.
    Und Mom war der Grund, aus dem sie nichts sagte. Eine unabhängige, arbeitende Frau im Grenzland heulte sich nun mal einfach nicht bei ihrer Mom aus.

6  Bestie
     
    Der Frühstückstisch sah aus wie ein Schlachtfeld, und Ben bekniete Antony.
    Als Jane mit neuem Toast hereinkam, um den niemand gebeten hatte, sagte Antony Largo, der freie Produzent, gerade: «Nein, das ist ein bisschen unfair, Kumpel.»
    Largo musste spätabends angekommen sein. Er wirkte nicht so, als hätte er viel geschlafen – lag das vielleicht an dem Zimmer? Beim Frühstück ergaben sich für Jane gute Gelegenheiten, Gespräche zu belauschen, denn sie konnte immer wieder mit Obstsaft, Toast oder Kaffee hereinkommen und sich hier und da zu schaffen machen.
    Ben trug seinen Joggingdress und saß weit zurückgelehnt auf seinem Stuhl. Wahrscheinlich glaubte er, fit, entspannt und enthusiastisch auszusehen, aber in Wahrheit wirkte er nervös, und er lachte viel zu viel. Jane

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