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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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zeitweilige Bleibe. Es war romantisch. Ihr Treffpunkt.
    Lol hatte sich auf einen Ellbogen gestützt. «Tut mir leid. Bei unserem letzten Gespräch über diese Heilungsgottesdienste hast du zwar nervös gewirkt, aber es kam mir so vor, als würdest du das ohne Probleme hinbekommen. Was ist denn inzwischen passiert?»
    Wo sollte sie nur anfangen? Merrily erzählte ihm von Alice Meek und ihrem Neffen. Und von dem Brief, den sie morgens in der Post gefunden hatte, in dem eine Frau aus Hereford von ihrem Enkel mit Kinderlähmung schrieb. Merrily kannte die Frau nicht. Der Brief schloss mit den Worten:
Ich habe zu meinem Mann gesagt, wenn die Ärzte nichts machen können, müssen wir der Kirche eine letzte Chance geben.
    «Letzte Chance?», sagte Lol. «Entweder die Kirche rettet das Kind, oder es passiert was?»
    «Entweder zeigt ihr jetzt mal ein bisschen Engagement, oder ihr seid am Ende. Und sie können uns ja tatsächlich ans Ende bringen. Es ist, als würdest du beim Konzert auf die Bühne kommen und feststellen, dass nur zwei Leute da sind ... also machst du keine weiteren Auftritte mehr. Und in der Kirche geht es auch um nichts anderes als einen guten Auftritt. Deshalb gibt es doch diese ganzen Alpha-Kurse und die jugendorientierten Sachen. Man muss einen guten Auftritt hinlegen.»
    «Aber genau das machst du doch sonntagsabends.»
    «Das dachte ich auch. Nur hatte ich es nicht als
Heilungs
-Session geplant. Ich wollte den Leuten helfen, ihr Seelenleben besser zu verstehen. Aber wie sich herausstellt, sind die meisten Leute gar nicht an ihrem Seelenleben interessiert. Sie wollen einfach nur ein nach außen hin gutes Leben, und dazu muss man fit und gesund sein, und wenn die Kirche deine Krankheiten verschwinden lassen kann, hey, ist doch cool. Die reine Zauberei.»
    «Also bist du eher für das Modell keltischer Einsiedler in seiner Höhle.»
    «Die sind womöglich noch schlimmer. Übernehmen für überhaupt nichts Verantwortung.» Merrily ließ den Kopf aufs Kissen sinken. «Beim Heilen geht es darum, Verantwortung zu übernehmen. Und wie kann man Verantwortung für etwas übernehmen, von dem ...»
    «... man nicht hundertprozentig glaubt, dass es funktioniert?»
    «Und was ist an dieser Idee falsch, eine Heilungs
gruppe
einzurichten? Dann wird die Verantwortung geteilt ... mit Katholiken, Methodisten, und was weiß ich wem noch.»
    «Das ist vermutlich die beste Lösung», sagte Merrily. «Aber es muss um
mehr
gehen als um Heilung. Ich habe keine Lust auf eine Medizinshow mit Singen und Klatschen.»
    «Manchmal ist Heilung ja nur ein Nebeneffekt. Wenn man zum Beispiel verliebt ist, fühlt man sich gesünder.»
    «Das ist ein sehr gutes Argument. Ein ganzheitlicher Ansatz.»
    Sie fühlte sich besser. Vollständiger. So sollte es immer sein. Sie hatte geglaubt, eine Möglichkeit gefunden zu haben, doch jetzt lohnte es sich nicht mehr, davon anzufangen.
    Aber dann sagte Lol: «Da gibt es ein Haus in Ledwardine.»
    Stille.
    «Zu verkaufen», sagte Lol.
    «Oh.»
    «Ein kleines Cottage in der Church Street. Wusstest du davon?»
    «Lucys Haus», sagte sie. «Nein, ich wusste es bis gestern nicht, da habe ich die Anzeige in der
Hereford Times
gesehen.»
    «Letzte Woche stand es auch schon drin. Ich habe die Anzeige beim Feuermachen gefunden.»
    «Ich habe sie erst gestern gesehen. Man hätte ja annehmen können, dass mir jemand ...»
    Aber weshalb hätte ihr jemand Bescheid sagen sollen? Im vergangenen Jahr hatte ein Paar aus Luton das Haus als Wochenenddomizil genutzt. Merrily hatte die beiden nur einmal flüchtig kennengelernt. Anscheinend wollten sie das Cottage jetzt wieder verkaufen, hatten aber kein Zu-verkaufen-Schild aufgestellt.
    «Ein Star werde ich nie werden», sagte Lol, «aber es sieht danach aus, als könnte ich mich eine Zeitlang ganz gut über Wasser halten. Es reicht, um eine Anzahlung zusammenzubekommen, wenn ich die Tournee mache und sich das Album einigermaßen verkauft. Ich kann nicht für alle Ewigkeit hierbleiben. Prof braucht den Platz. Jedes Mal, wenn jemand kommt, um ein Album aufzunehmen, ziehe ich wieder auf den Heuboden über dem Studio. Das ist für niemanden eine gute Lösung.»
    «Hast du schon angerufen? Beim Makler, meine ich.»
    «Ich dachte, ich spreche besser vorher mit dir darüber.»
    Lol verankerte sich langsam wieder im Leben. Er hatte es nach vielen Jahren, von denen er ein paar in der Psychiatrie verbracht hatte, wieder geschafft, einem Publikum gegenüberzutreten. Die

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