Die Nacht Der Jaegerin
krümmte sich innerlich an seiner Stelle.
Der Speisesaal in Stanner Hall war länglich und sehr schlecht geheizt. An der Stirnwand hing ein leicht ramponiertes Stuckwappen über dem Kamin, in dem kein Feuer brannte. In der gegenüberliegenden Wand befand sich ein neugotisches Spitzbogenfenster mit einigen verbliebenen Buntglasscheiben in kühlem Blau und warmem Rot, dessen Ausmaße besser zu einer Kathedrale gepasst hätten. Die beiden Männer saßen unter dem Fenster neben einem Heizstrahler, von dem die graue Farbe abblätterte und der mehr Lärm als Wärme von sich gab.
«Na gut», sagte Antony Largo. «Wir sind Freunde, da muss ich kein Blatt vor den Mund nehmen.» Er sah Ben gleichmütig und leicht amüsiert an. «Also sag mir: Worin liegt das gegenwärtige Interesse? Worin besteht der
aktuelle Aufreger
?»
Durch eine Fensterscheibe fiel blutrot gefärbtes Sonnenlicht auf Bens Stirn. «In den Schauspielern», sagte Ben.
Antony Largo musterte seinen Toast. Seine Schultern schienen sagen zu wollen:
Herr, schenke mir Geduld.
Er sagte: «Darüber haben wir doch schon gesprochen. Wir könnten ein paar Berühmtheiten an Land ziehen, aber das ist nicht das Problem.»
«Das ist
nicht
...» Ben nahm den silbernen Pfefferstreuer in die Hand, und es schien beinahe so, als wollte er ihn Largo an den Kopf werfen. «Darum geht es mir doch nicht. Wenn wir einen einigermaßen bekannten Schauspieler für Doyle hätten, wäre das die einzige Sprechrolle. Alle anderen – Vaughan, Ellen – würden sich eher im Hintergrund halten, schattenhafte Gestalten in Schwarzweiß oder Sepia. Also ...»
«Ja, ja, das wäre unheimlich künstlerisch, und irgendein Sendeleiter von einem dritten Programm würde es bestimmt mit Handkuss nehmen, damit er es um sieben Uhr morgens ausstrahlen kann. Mann, wir reden hier von der Prime Time auf Channel Four, da muss man was anderes bieten! Tut mir leid, Kumpel, aber für eine halbwegs akzeptable Spannung fehlen da noch mindestens ein halbes Dutzend richtig geile Höhepunkte.» Antony Largo warf Jane einen Blick zu. «Sorry, Kleine.»
Jane grinste.
«Antony.» Ben lachte, doch die Sorgenfalten in seinem Gesicht hatten sich vertieft. «Warum musst du am Anfang immer,
immer
alles kaputt reden?»
«Das hier ist keine Taktik, Kumpel.» Antony beugte sich vor. «Früher mal, als es mit all den Werbeeinnahmen in dieser Branche noch Geld wie Heu gab, wurde ja so ziemlich jedes Wischiwaschi-Konzept angenommen. Aber das ist lange vorbei. Heute stehen freie TV -Produzenten mit dem Rücken zur Wand.»
«Ja, aber das
Dokudrama
...»
«... soll das Allheilmittel sein. Dokus als Spielfilmersatz. Aber das geht nicht, wenn die Doku keinen aktuellen Aufhänger und keinen roten Faden hat. Versuch mal, es von meiner Warte aus zu sehen. Ich soll also einsteigen mit so was wie: ‹In diesem Film geht es darum, woher der Sherlock-Holmes-Typ seine Idee für den
Hund von Baskerville
hatte. Aber aufgepasst, es ist nicht so, wie ihr denkt!› Und wie reagieren die Leute? Ich sag’s dir: ‹Warum sollen wir darüber überhaupt nachdenken? Warum sollen wir mit so was unsere Zeit verschwenden?›»
«Weil ...» Ben sah auf und bekam Jane in den Blick, die ziemlich unverhohlen mithörte. Sie drehte sich um und begann, etwas auf ihr Tablett zu räumen. «Danke, Jane», sagte Ben und meinte:
Verzieh dich.
Bens Erklärungsversuch, wie man die Sendeleiter überzeugen könnte, war nicht mehr zu verstehen. Dabei hätte sie sehr interessiert, wie er sich das vorstellte.
Als Jane am Treppenhaus vorbeikam, hörte sie, dass Amber oben irgendwo staubsaugte. Natalie kam gerade in die Empfangshalle. Ihre langen Beine steckten in engen schwarzen Jeans, und über ihrem Arm hing ihr roter Ledermantel.
«Gehört der alte Lexus diesem Filmtypen?»
«Wahrscheinlich. Ben strampelt sich unheimlich ab. Ich glaube, er hat sich noch nicht getraut, dem Typen zu sagen, dass die Holmes-Konferenz abgesagt ist.»
«Oh.»
«In der Hotellerie durchzuhalten, ist viel schwerer, als man denkt», sagte Natalie. «Es würde mich wundern, wenn ihr Geld reicht, um diesen alten Kasten den Winter über zu heizen.»
«So schlimm ist es?»
«Auch wenn im Sommer alles gut läuft – im Winter sind die Ausgaben viel höher. Sie haben drei Frauen aus Kington gesagt, dass sie sich für die Arbeit während der Konferenz Zeit frei halten sollen. Das machen die auch nur ein Mal und nie wieder.»
Ben sollte mehr auf Natalies Rat hören. Sie hatte
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