Die Nacht Der Jaegerin
Hund lag.
Allerdings war dieser Hund eine Enttäuschung. Er war viel zu klein, um damals als Bluthund bei der Jagd eingesetzt werden zu können, es sei denn, der Steinmetz aus dem fünfzehnten Jahrhundert hatte ihn absichtlich verkleinert, damit er auf das Grabmal passte.
Die Lady war möglicherweise eine Schönheit gewesen, soweit man das anhand einer Grabplastik beurteilen konnte. Sie trug ein langes Gewand mit einem Gürtel und hatte die Hände ebenfalls über der Brust zum Gebet zusammengelegt. Ihr Kopf mit der kleinen Haube lag auf einem Kissen. Ihre Miene wirkte sehr ernst, aber was konnte man auch anderes erwarten?
«Hübsches Mädchen», stellte Antony fest. «Gute Figur. Wie heißt sie nochmal?»
«Ellen.» Ben stand am Fußende des Grabmals. «Ellen Gethin. Auch bekannt als Ellen die Schreckliche.»
Antony spannte die Oberlippe an, um ein Lächeln zu unterdrücken. «Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass sie schrecklich im Bett war.»
Jane grinste nervös. Ben runzelte die Stirn. «Sie wurde so genannt, weil sie einen Mann umgebracht hat.»
Antony legte den Kopf schräg. «Ist das bewiesen?»
«Sie stammte aus einem Dorf namens Llanbister auf der anderen Seite von Radnorshire. Sie hatte einen jüngeren Bruder, David, den sie sehr liebte. Er wurde von seinem Cousin John Hir in einem Schwertkampf getötet – es ging um irgendeine Erbstreitigkeit. Ellen war am Boden zerstört und schwor Rache. Sie war stark. Angeblich hatte sie Kräfte wie ein Mann.»
«Sehr sexy», sagte Antony.
«Jetzt reicht’s aber, Antony», sagte Ben.
Jane sagte: «Und was ist passiert?»
«Es gab einen Bogenschützenwettbewerb in Llanddewi, in der Nähe von Llanbister. Ellen hat als Mann verkleidet teilgenommen. John Hir galt als Favorit, und sie hat ihn herausgefordert. Also hat John seinen Pfeil in die Zielscheibe geschossen, und Ellen hat ihren Pfeil in John geschossen.»
«Mutig», sagte Antony. «Stimmt das auch, oder ist das nur eine Legende?»
«Es
soll
hundertprozentig wahr sein, auch wenn es ziemlich nahe an ein paar klassische Sagen von der rachsüchtigen Jägerin herankommt. Es soll im Jahr 1420 passiert sein, da war Ellen schon mit Vaughan verheiratet. Sie muss damals noch sehr jung gewesen sein, denn Vaughan starb erst vierzig Jahre später bei der Schlacht von Banbury.»
«Die Geschichte gefällt mir», sagte Antony. «Die wär was für die Reihe damals gewesen.»
Ben wandte sich an Jane. «Antony hat vor ein paar Jahren für Channel Four eine Dokumentarfilmreihe über mordende Frauen gemacht. Die Serie hieß
Mitternachtsfrauen.
»
Jane starrte Antony mit neuem Respekt an. Dieser Mann war echt der Produzent von
Mitternachtsfrauen
? Das waren ziemlich heftige Filme gewesen – nicht, dass Jane sie gesehen hätte, sie war damals erst ungefähr zehn Jahre alt gewesen –, aber sie hatte von ihnen gehört. Jetzt verstand sie auch, warum Ben diesen einflussreichen Produzenten unbedingt von seiner Idee überzeugen wollte. Vermutlich konnte er beim Sender so ziemlich jedes Projekt durchsetzen.
Antony betrachtete Thomas Vaughan und seinen kleinen Alabasterhund.
«Und was hat es jetzt mit diesem Typen auf sich?»
Ben zuckte mit den Schultern. «Es ist nicht viel über ihn bekannt. Er wurde 1400 geboren und hat in den Rosenkriegen ursprünglich die Lancasters unterstützt, dann aber aus irgendeinem Grund die Seiten gewechselt. Eine Überlieferung sagt, er sei 1469 auf dem Weg zur Schlacht von Banbury gewesen, als ihn die Lancasters schnappten und ihn wegen Verrat köpften. Dann wurde seine Leiche hierher zurückgebracht.»
«Und war er wie Hugo Baskerville? Ein schlimmer Finger? Ein Tyrann?»
«Das weiß man nicht. Man weiß nicht, wie er zu Lebzeiten war, er ist bekannter für sein Leben nach dem Tod. In sämtlichen Überlieferungen heißt es, er wäre zu einem unheimlich wütenden und zerstörerischen Geist geworden, der auf dem Straßenstück zwischen Hergest Court und Kington herumspukte – manchmal sogar am helllichten Tag. Er sprang Frauen in den Weg und brachte die Pferdefuhrwerke der Bauern zum Umstürzen.»
«Und warum war er so wütend?»
«Keine Ahnung, aber in der Stadt sollen Angst und Schrecken geherrscht haben. Die Straße nach Hergest wurde gemieden. Sie war beinahe tabu. Es wurde so schlimm, dass der Markthandel in Kington darunter zu leiden begann, weil keine Leute mehr zu den Markttagen kommen wollten. Vaughan konnte auch die Gestalt wechseln. In dieser Kirche tauchte er zum
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