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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Beziehungen geknüpft hatten.»
    «Dann hätte er doch einfach nur ihren Namen ändern müssen, oder?»
    «Ja, aber es ist ein
verdammt guter
Name. Was wäre der Buchtitel ohne diesen Namen?» Immer noch wie unter Strom, als hätte er gerade gekokst oder so, stieg Ben aus dem Auto und ging über das gefrorene Gras. «Komm, ich stelle dir die Vaughans vor.»
     
    In Lew Jeavons’ Familie hatte es nie Schamanen oder Pfarrer gegeben. Er war als Teenager von Jamaika nach England gekommen. Sein Vater arbeitete als Busfahrer. Als junger Mann war er nach New York gegangen, und dort war er ordiniert worden und hatte eine englische Studentin kennengelernt.
    «Und wir sind zusammen nach England zurückgekommen, das ich als meine Heimat betrachtet habe.»
    «Haben Sie in Amerika ... Heilungen durchgeführt?»
    «Nun ja, ich dachte schon immer, dass ich Heilungen verstärken kann.» Er deutete mit dem Kinn auf die Katze auf seinem Schoß. «Lucius hier kann ein Lied davon singen. Er ist über die Hauptstraße gerannt, und ein Autofahrer konnte nicht mehr halten. Ich saß im nächsten Auto und habe ihn zusammen mit seinen heraushängenden Eingeweiden zum Tierarzt gebracht, der die Eingeweide wieder reingeschoben und kopfschüttelnd seine Spritze gezückt hat. Aber da habe
ich
den Kopf geschüttelt und Lucius mit zu mir genommen, damit er hier seine letzte Zeit verbringen kann.»
    «Er sieht völlig gesund aus.»
    «Er hinkt ein bisschen, das ist alles. Katzen reagieren auf Liebe und Berührungen unmittelbar. Der Mensch ist da komplizierter. Meine Frau ... sie hätte gesund werden müssen, darum geht es. Der Herzinfarkt war nicht sehr schwer, die Ärzte hielten einen Bypass für überflüssig. Ich war davon überzeugt, dass sie sich erholen würde, und habe sie nicht mehr ständig wie meinen Augapfel gehütet, und dann hatte sie einen zweiten Herzinfarkt. Da hielt ich gerade einen Heilungslehrgang in Oxford ab, und wir waren alle voll missionarischem Eifer: Hey, genau das ist es, was der Kirche von England so lange gefehlt hat! Und inmitten all dieses Heilungswahns stirbt einfach so meine Frau. Was sollte mir das sagen? Was wollte Er mir damit sagen?»
    «Sie müssen sehr ... verbittert gewesen sein.»
    «Und fassungslos. Ich hielt mich nicht für überheblich, ich glaubte nicht, dass ich einen Dämpfer nötig hatte – und ganz genau das, verstehen Sie, beweist, dass ich doch überheblich war. Mein erster Gedanke war, es liegt an dir, dass sie nicht mehr lebt. Gott bringt dem großen Heiler eine Botschaft: Du bist NICHTS , Mann!»
    «Wie alt war sie?»
    «Neunundvierzig. Kein Alter. Ja, ich war verbittert, klar. Sollen wir etwa Gott nicht hassen können, nur weil wir Pfarrer sind?»
    «Das ... Problem, das ich damit habe, liegt eigentlich auf der Hand: Manche Leute werden gesund, andere nicht. Manche Leute, für die gebetet wurde ... wirklich ernsthaft gebetet wurde ... von vielen Menschen ...»
    «Ich weiß.»
    «Die ganze Hoffnung, die sich aufbaut, und dann ...»
    «... ist es doch wie beim Lotto?»
    «Oder es ist einfach nicht unsere Entscheidung. Keine Entscheidung, die wir beeinflussen können – oder sollten, ganz gleich, was das Evangelium ...»
    «Oje», sagte Jeavons. «Sie haben es wirklich nicht verstanden, oder? Wir tun es, weil es
alles
ist, was wir tun können. Es ist grundlegend: Sorge für die Körper zu tragen, Sorge für die Seelen zu tragen, Sorge für das Leben auf der Erde zu tragen. So nämlich entwickeln wir uns weiter – indem wir die Niederlage erleiden und es erneut versuchen und noch ein bisschen mehr leiden. Wir
leiden
, Merrilee. Wenn ein Arzt einen Patienten nicht heilen kann, sagt er: ‹Ich habe die richtigen Medikamente verschrieben. Ich habe getan, was ich konnte.› Aber
wir
müssen leiden. – Aber so etwas wollten Sie von mir nicht hören, oder?»
    «Ich ... weiß nicht, was ich wollte.»
    «Vielleicht verstehen Sie die wahre Natur des Leidens nicht, und dass Leiden ein sehr positiver Zustand sein kann. Irgendwann sollten wir einmal ausführlicher über dieses Thema sprechen.»
    «Warum wurde Ihre Frau nicht geheilt?», fragte Merrily.
    Jeavons hob die Hände. Er wirkte in dem weißen Raum wie ein nackter Fels auf einem Strand, den die Flut überspült. Gab es eine Antwort auf diese Frage, die er nicht akzeptieren konnte? War er in seinem Leiden zu dem Schluss gekommen, dass ihr Glaube – ihr Glaube an
ihn
, Lew – nicht stark genug gewesen war?
    Er breitete in einer

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