Die Nacht Der Jaegerin

Erleichterung, als Ben mit der Taschenlampe einen bärtigen Mann mit Haaren wie grauem Seegras angestrahlt hatte.
    «Ja, aber ...» Ben klang wieder besorgt. «Wie soll er im Krankenhaus erklären, was passiert ist?»
    «Immer schön bei der Wahrheit bleim, würd ich sagen», sagte Gomer. «Is schon blöd, wenn einer auf ’ner vereisten Stelle ausrutscht und miter Nase an son alten Zaunpfahl knallt. Wir hatten grade den Transporter abgestellt, warn gekommen, um Jane einzusammeln, und da hörn wir den armen Kerl stöhnen. Glaub nich, dass unser Freund hier was andres erzählen will.»
    Jane musste wider Willen lächeln. Nach dem Brand in Gomers Betriebshof, bei dem sein Neffe umgekommen war, hatte es eine Zeitlang so ausgesehen, als wären Gomers aktive Jahre vorbei. Er war launisch und unzugänglich geworden. Aber jetzt war er wieder voll da. Und Danny in die Firma aufzunehmen, war eine geniale Idee gewesen. Da hatten sich zwei Querdenker gefunden.
    «Wenn’s hier ein Bad mit Waschbecken und ne alte Jeans gibt, wär das auch nicht schlecht», sagte Danny zu Ben. «Wir passen vor der Tür auf, dass er nicht abhaut. Einverstanden, Nathan?»
    Vielleicht war Nathans Kopfbewegung ein Nicken. Immerhin blutete er nicht mehr, doch er atmete immer noch durch den Mund.
    «Das ist sagenhaft von euch», sagte Ben. «Ich weiß nicht, was Sie gesehen haben, aber ...»
    «Nich viel», versicherte ihm Gomer. «Beinah gar nichts. Un was willst du jetzt machen, Jane? Fährste mit uns zum Krankenhaus, oder soll ich dich aufm Rückweg abholen?»
    «Ich komme gleich mit», sagte Jane.
    Sie konnte sich zwar etwas Schöneres vorstellen, als mit dem röchelnden Nathan auf der Rückbank zu sitzen, aber was sollte sie machen? Sie wartete mit Gomer in der Empfangshalle, während Danny Nathan zur Herrentoilette eskortierte und Ben nach oben rannte, um eine alte Hose zu suchen. Von der
White Company
war niemand zu sehen. Waren sie noch in der Küche? Verpasste sie Alistair Hardys erste Versuche, mit Sir Arthur Conan Doyle Kontakt aufzunehmen? Das alles kam Jane jetzt vollkommen unwirklich vor. So unwirklich wie die Vorstellung, dass Lucy Devenish um sie herumflatterte wie ein heidnischer Engel.
    «Was haben Sie
wirklich
gesehen?», fragte sie Gomer.
    «Wie gesagt, beinahe gar nichts, Janey.» Gomer zog seine Tabaksdose heraus, um sich eine Zigarette zu drehen. «Erst mal sieht Danny unten anner Einfahrt diesen grünen Discovery parken. Er hatte mit den Jungs kürzlich schon mal Ärger, verstehste?»
    «Clancy hat es mir erzählt.»
    «Wirklich? Jedenfalls is Danny ziemlich scharf drauf, mit den Typen über ein paar kleine Beulen an Gretas Flitzer zu reden, also hält er an, und wir warten ein bisschen. Dann sehn wir die drei mit ner Knarre die Einfahrt hochrennen. Wir hörn ungefähr drei Schüsse. Da hat Danny genug. Hat plötzlich das Fernlicht un die Nebelleuchten un alles angemacht, un den Motor aufheulen lassen, un ausm Seitenfenster gebrüllt:
‹Polizei, stehen bleiben, oder wir schießen!›
Hatter inner Flimmerkiste gesehen.»
    «Cool.»
    «Na ja. Sie schlagen nen Haken durch den Wald, un als Nächstes sehn wir zwei von ihnen hinter uns in den Discovery springen und nix wie weg. Den dritten hatte da vermutlich schon dein Freund Foley gestellt. Bis wir raufkommen, hören wir, wie Foley den Kerl anschreit und diese Mrs. Craven versucht, alle beide zu beruhigen. Foley hat den Typ gefragt, ob er un seine walisischen Kumpels von jemand bezahlt wern, damit se Ärger machen. Dann hat Mrs. Craven was gesagt, und darauf meinte der Waliser – un er klingt nich besonders ängstlich: ‹
Und was wollen Sie dagegen machen, Sie und dieser kleine englische Schlappschwanz?
› Ich schätze, das war der Moment, in dem sich Foley auf ihn gestürzt hat.»
    «Damit hat er alles bloß noch schlimmer gemacht.» Jane fielen Bens Bemerkungen von dem Krimiwochenende wieder ein.
Die halten mich für ein Weichei. Einen Schisser. Für einen Kunstfuzzi aus London, heute hier, morgen schon wieder weg.
Und dann hatte er noch gesagt:
Da wo ich herkomme, da gibt’s richtig harte Kerle.
    Gruselig.
    «Und was ist, wenn sie im Krankenhaus Fragen stellen?»
    «Ach, der Junge sagt bestimmt nichts. Würd auch nich gut aussehen, dort wo er herkommt, wenn sich rumspricht, dasser von ner Londoner Schwuchtel Dresche bezogen hat.»
    «Und wenn das Krankenhaus die Sache der Polizei meldet?»
    Gomer zuckte mit den Schultern und zündete sich seine Zigarette an. «Können