Die Nacht Der Jaegerin
gehabt, genauer hinzusehen. Sie hoffte, dass der Haufen ein abgestorbener Baum oder so war. Jedenfalls etwas, das nicht schniefte.
«Es tut mir leid», wiederholte Ben.
Der Mann lag mit den Schultern an den Zaunpfahl gelehnt auf dem Boden. Er trug Military-Hosen und eine Jacke in Tarnfarben. Von seinem Gesicht war bei all dem Blut wenig zu erkennen, aber sein Mund stand offen, und auch im Mund war Blut, das blasig heraustriefte. Jane schluckte.
«Hat Schlappschwanz zu mir gesagt, verstehst du?» Ben trat einen Schritt zurück, und Amber öffnete den Verbandskasten, den sie auf den Boden gestellt hatte. «Nat hat versucht, die Blutung zu stoppen. Es hat aber nicht besonders gut geklappt.»
«Er muss ins Krankenhaus», sagte Amber knapp. «Du hast ihm die Nase gebrochen, um mal damit anzufangen.»
«Ist das wirklich nö ...? Ich meine, kannst du nicht ...?»
«Ben! Du hast ihm
das Gesicht eingeschlagen
! Ich fasse es einfach nicht, wie du ...»
«Es war dunkel, ich konnte gar nicht richtig sehen, was ich ... Amber! Die waren dabei, uns alles kaputt zu machen. Es lief gerade so gut, und dann müssen die hier rumballern, dass die Fensterscheiben zittern. Diese Arschlöcher. Das ist illegal, das ist ...»
Der Mann auf dem Boden krümmte sich, als wollte er aufstehen, sank dann aber wieder zurück. Er versuchte zu sprechen, doch er brachte kein verständliches Wort heraus. Dann begann er zu husten.
Amber sagte: «Jane, lass mir die Taschenlampe hier, geh zurück ins Haus und sag Nat, dass wir einen Krankenwagen brauchen.»
«Naah!»
Der Mann stemmte sich hoch.
«Kei Grangnwah!»
Ben schnappte Jane die Taschenlampe weg, genau wie er ihr die Videokamera weggeschnappt hatte, und hielt sie am leuchtenden Ende hoch, wie ein Polizist im Film, der gleich mit dem Griffstück zuschlagen würde.
«Was sagt er?»
«Kein Krankenwagen», presste Jane hervor.
«Was hast du vor, Ben?», sagte Amber. «Willst du ihm jetzt auch noch die Zähne ausschlagen?»
«Du weißt nicht, was hier los ist.» Ben ließ den Strahl der Taschenlampe über die Lichtung wandern. «Da sind irgendwo noch zwei Schweine von seiner Sorte. Und einer hat ein Gewehr.»
«Das ...» Jane trat einen Schritt zurück. «Das stimmt. Sie waren auch bei Jeremy. Sie wollten Jeremys Hund erschießen.»
«Dann sag Natalie, sie soll auch gleich noch die Polizei rufen», sagte Amber zu Jane. «Geh schon!»
«Ja.»
Jane rannte zurück in Richtung des schmiedeeisernen Tors. Sie konnte nicht glauben, dass Ben das getan hatte. Na gut, er war wütend auf diese Kerle, die nicht zum ersten Mal bei ihm einfielen, und er stand wegen des Hotels unter Stress – aber er war
Ben Foley
, ein leicht tuntiger Künstlertyp, der nichts auf der Welt wirklich ernst zu nehmen schien. Tja, da bildete man sich ein, die Leute einschätzen zu können.
Sie zog gerade an dem Flügel des schmiedeeisernen Tors, als sich die Hände auf ihre Schultern legten.
20 Wir reden nicht über Füchse
«Wie haben Sie es herausgefunden, Frau Pfarrer?», sagte Alice Meek. Aus ihrer Stimme klang Resignation, aber keine große Überraschung. «Wer hat es Ihnen erzählt?»
Merrily schüttelte den Kopf. «Das wäre unfair. Aber das Interessanteste daran war ohnehin, dass es überhaupt etwas herauszufinden gab. Verstehen Sie?»
«Wissen Sie», Alice stellte ihren Kaffeebecher ab, «Dexter dachte, Sie legen ihm bloß die Hände auf. Aber so einfach geht es eben nicht, das hab ich ihm auch gesagt. Jetzt will er nichts mehr von der Sache hören.»
Alice hatte einen Bungalow hinter der Old Barn Lane, keine hundert Meter von ihrem Imbiss entfernt. Alices Küche war strahlend hell, makellos sauber und voller Edelstahl. Wie in ihrem Imbiss. Von allen Frauen, die in der Kirche putzten, überlegte Merrily, war Alice vermutlich die älteste, die aktivste und die reichste.
Und sie hatte keine Kinder. Vielleicht rechnete Dexter mit einer beträchtlichen Erbschaft. Dann hätte er kaum eine andere Wahl, als zu tun, was immer Alice von ihm wollte.
«Ich habe einen Vorschlag ...» Nervös nippte Merrily an ihrem Kaffee. Wie sie erwartet hatte, war es die Sorte Kaffee, die man kochte, wenn man eine Nacht durcharbeiten musste. «Was ich sagen will, ist ... es könnte hier um mehr gehen als nur um Dexter.»
Sie hatte keine Zeit verschwenden wollen und war direkt zu Alice gegangen.
«Ich habe keine Kinder, wie Sie wissen, Frau Pfarrer. Hab ständig für meine Schwestern den Babysitter gespielt. Die
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