Die Nacht der Schakale
116, war vor einiger Zeit unter mysteriösen Umständen ermordet worden. Die Polizei hatte das Verbrechen nicht aufklären können. Als Täter kamen die Stasi-Leute aus Ostberlin genauso in Frage wie geprellte Geschäftspartner oder eifersüchtige Freundinnen. Es gab nicht sehr viel Trauer an seinem Grab, aber zu den Hinterbliebenen gehörten zwei Löwen, unter deren Fell die Geheimdienstmikrofilme mit subversiven Nachrichten gesucht hatten, vergeblich.
Mauro Dressler benahm sich vorsichtiger, obwohl er nicht, wie sein toter Rivale, mit vier Leibwächtern auftrat; aber sein Job war heiß, Gefahr sein Metier. Er galt als verschlagen und verwegen. Im Niemandsland der Legalität operierend, hatte er einen Ruf wie Donnerhall, im Guten wie im Schlimmen. Freilich konnte er auch in verzweifelten Fällen so etwas wie die letzte Hoffnung darstellen. Diese Hoffnung erfüllte sich häufig, doch niemals kostenfrei; er half meistens, immer jedoch nur gegen Gebühr.
Für einen Mann wie Barry Wallner, der eine untrügliche Witterung für Weizen in der Spreu hatte und daraus spannende Polit-Thriller fertigte, Millionen-Seller, in Massenzeitungen vorabgedruckt, in viele Sprachen übersetzt, ein programmierter Bucherfolg rund um den Globus, war Mauro Dressler, der mit Informationen nicht geizte, eine Fundgrube und jedenfalls sein Geld wert.
Immerhin 50.000 Dollar Vorschuß und eine Honorarbeteiligung von einem Fünftel. Gegenleistung: die exklusive Verwertung aller den Ost-West-Dschungel betreffenden Hintergrundoperationen durch den Verlag Fairway House, Park Avenue, New York, N. Y. soweit es sich – um eine Gefährdung der Beteiligten zu verringern – um bereits abgeschlossene Fälle handelte.
Der Top-Journalist wußte natürlich, daß sein Vertragspartner ein hemmungsloser und letztlich undurchsichtiger Abenteurer war. Er hatte sich deshalb abgesichert und zwei Männer aus der Crew des Menschen-Importeurs herausgepickt, die ihn zusätzlich mit bezahlten Informationen versorgten. Sie gehörten zu den Desperados, die zum Teil seit Jahren für die TRASCO auf den Transitstrecken oder irgendwo sonst auf DDR-Territorium ihre Haut zu Markte trugen und dabei ständig Kopf und Kragen riskierten.
Zur Zeit saßen sieben aufgeflogene Dressler-Leute in DDR-Gefängnissen Freiheitsstrafen zwischen zehn Jahren und lebenslänglich ab; sie wurden längst durch Neuzugänge ersetzt. Vorübergehend für die TRASCO arbeitete auch der Tankstellenbesitzer, Bastler und DDR-Hasser Michael Gartenschläger, der 1961 als Siebzehnjähriger von einem ostdeutschen Gericht wegen politischer Brandstiftung zu lebenslanger Haft verurteilt und zehn Jahre später von der Bundesregierung für 45.000 DM freigekauft worden war. Dem Verwegenen gelang es zweimal sich vom Westen her der deutsch-deutschen Grenze nähernd, Tötungsmaschinen des Typs SM 70 auszubauen und zur kriminaltechnischen Untersuchung sicherzustellen. Beim dritten Versuch am 30. März 1976 starb der Mann, den die DDR-Presse einen ›Maschinenschlosser, RIAS-Hörer, Brandstifter und Vandalen‹ nannte, im Kugelhagel der Kalaschnikow-Schnellfeuer-Gewehre; die Vopos hatten ihn zuvor nicht angerufen.
Dieses Ende mußten die Mitglieder der Dressler-Organisation vor Augen haben, wenn sie auf den Transitwegen versuchten, Menschen aus dem Land der Aufpasser und Anpasser herauszuschmuggeln. Mit Rücksicht darauf waren die Informationen in den Wallner-Unterlagen halbwegs verschlüsselt und die Männer, von denen sie stammten, ohne Namen; dabei war dem cleveren Barry doch eine Indiskretion unterlaufen: Er hatte sie auf einem Zettel mit S. und F. bezeichnet.
Ein Blitzbesuch bei PYTHIA – diesmal dienstlich und nicht privat – zeigte mir an, daß S. für Schwarz und F. für Forbach stehen könnte. Schwarz bedeutete mir wenig, aber der Name Forbach elektrisierte mich, denn das war nach Zürich und Pullach bereits die dritte Hochzeit, auf der dieser Kommunistenfresser tanzte. Diese Feststellung führte automatisch zur Frage, an wieviel Untergrund-Veranstaltungen der Mann noch teilnehmen mochte.
In diesem Stadium des Falls hatte sich Barry Wallner üblicherweise zum Schreiben zurückgezogen und die weiteren Erkundigungen vor Ort an seine Rechercheure delegiert. In einem Brief an Dressler wurde ein gewisser Brian Singer als sein Beauftragter für künftige Gespräche angekündigt, ein neuer Mann und damit ein unbeschriebenes Blatt. Der private Investigator – angeblich ein As – sollte nicht dadurch
Weitere Kostenlose Bücher