Die Nacht der Schakale
Paradiesvogel. »Es geht los. Wir starten die Operation.«
»Wann?«
»Sofort«, erwiderte der Genosse de Luxe. »Der Countdown läuft bereits. Sie haben jetzt noch drei Tage Zeit, sich eine goldene Nase zu verdienen.« Der Spott kräuselte seine Lippen. »Und dafür sind Sie doch immer zu haben.«
»Hört sich gut an«, entgegnete Dressler.
»Ich habe morgen eine abschließende Besprechung mit General Lupus«, erklärte Konopka. »Dabei übernehme ich die letzten Unterlagen; mit ihnen setze ich mich auf indirekten Wegen an unseren Zielort ab. Am nächsten Freitag kann die Bewegung steigen«, sagte der SED-Funktionär. »Aber nur mit dem Mann, den ich Ihnen genannt habe. Mit einem anderen würde ich nicht verhandeln. Schaffen Sie das bis Freitag, Dressler?«
»Ich denke schon«, schränkte der TRASCO-Chef ein.
»Wenn Sie keinen Fehler machen, ist es ein Kinderspiel«, fuhr der Mann von drüben fort.
»Glaub' ich auch«, erwiderte der Züricher; immer, wenn er aufgeregt war, fiel er vom Schriftdeutschen in Schwyzerdütsch. »Trotzdem muß man ja immer damit rechnen, daß im letzten Moment noch etwas schiefläuft.«
»In diesem Fall würde ich unverzüglich in die DDR zurückfliegen«, versetzte Konopka. »Wenn Sie das Arrangement in drei Tagen nicht schaffen, schaffen Sie es nie. Was Sie durch Ihre Vermittlung für sich persönlich herausholen, interessiert mich nicht. Die Summe wird Sie sicher für den heutigen Verlust im Fluchtgeschäft entschädigen.«
Er hatte wieder diese Wellblechlippen.
»Gut«, entgegnete der gezähmte Raubtierdresseur. »Es wird alles klappen.«
»Wie schön«, spöttelte Konopka. »Sie kennen ja mein Vertragshotel. Meine Maschine landet gegen Mittag. Wenn wir dann zu Rande kommen trennen sich unsere Wege für immer.«
Der TRASCO-Chef hörte eine unbestimmte Drohung heraus. »Und bei Komplikationen oder Verzögerungen?« fragte er.
»Setze ich Sie nach meiner Rückkehr in die Normannenstraße sofort auf die Fahndungsliste und lasse die TRASCO hochgehen.« Er lächelte wie der freundliche Onkel, der dem braven Kind eine Praline anbietet. »Mit Versagern arbeite ich nicht.«
Er nickte dem Geschäftsmann aus Zürich zu, gab ihm beim Abgang sowenig die Hand wie bei der Ankunft, öffnete die Tür und überzeugte sich, mehr aus Gewohnheit denn aus Sorge, daß ihm auf dem Flur kein Schatten auflauerte.
Er schlenderte im Passantenstrom um die Ecke, nahm in einem Straßencafe in der Nähe einen Aperitif, genoß den Trubel um sich herum als einen kleinen Vorschuß auf seine nächste Zukunft. Gesetzte Männer, elegante Frauen. Junge Pärchen, die aussahen, als nutzten sie gleich den Asphaltdschungel als Liegewiese. Taxis hupten, Bremsen quietschten, Radfahrer schimpften, alle hatte es eilig in Richtung nirgendwohin.
Konopka zahlte und ging langsam zum Tiergarten weiter. Er begegnete Ehepaaren, deren Zweisamkeit zu verbrauchter Endgültigkeit geronnen war, und es fiel ihm auf, daß die Frauen ihre Hunde oft freundlicher behandelten als ihre Männer. Weder war es ein westliches Spezifikum noch würde es ihm den Eintritt dorthin verleiden.
Er machte sich ohnedies keine großen Illusionen, wenn er sein sozialistisches Vaterland mit einer kapitalistischen Wahlheimat vertauschte. In erster Linie würde Konopka den Wechsel vollziehen, weil es sich im Westen bequemer leben ließe und ihn im Osten das ewige Politgequassel anwiderte, der Murks um Marx. Es war eine Entscheidung für den Komfort, so würde sich umgehend ein östlicher Funktionär in einen westlichen Bonvivant verwandeln, und das sogar noch im Auftrags des Staatssicherheitsministeriums in einer freilich ungewollten Auslegung.
Er hatte die ersten Schritte seiner Absatzbewegung mit äußerster Umsicht betrieben – Sindelfingen, zum Beispiel. Dann hatte ihm die Normannenstraße in unvorstellbarer Weise in die Hände gearbeitet, als ihm Lupus den Auftrag gab, den Sperber darzustellen und sich auf der Gegenseite als Maulwurf ganz großen Stils darzustellen. Der Verrat, den Konopka insgeheim vorbereitet hatte, war ihm zur Auflage gemacht worden – er hatte gewonnen, bevor er noch mehr riskieren mußte.
Es tat ihm leid um General Lupus, der in seinen Augen kein übler Kerl war, aber nunmehr über die Klinge springen müßte. Er hatte mit Mühe den Fall Stiller, den Absprung eines Stasi-Oberleutnants, überlebt, der mit zwei Koffern Subversivmaterial in den Westen übergelaufen war. Was war so ein Winzling, gemessen am schier
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