Die Nacht der Schakale
Auftraggeber zu tragen sei, und hier war der Beauftragte offensichtlich durch ungewaschene Scheine aus einem Entführungsfall aufgefallen – die Dummheit lag auf der Gegenseite.
Dressler rief erneut im Intercontinental an.
Nelly war noch immer nicht im Hotel, aber sie hatte für ihn hinterlassen, daß sich die Verschönerungsprozedur hinzöge und er sie, falls möglich, direkt im Salon abholen solle; er lächelte. Nelly war eben zuverlässig – in jeder Hinsicht.
Er hörte Schritte, die sich dem Büro näherten, und war erleichtert. Es mußte Forbach sein, der, warum auch immer, verspätet eintraf, um seine Hunderttausend zu kassieren, für eine Transaktion mit der Volkspolizei, die gar nicht schiefgehen konnte – aber das wußte Forbach nicht, durfte es auch nicht erfahren, weil die Normannenstraße energisch darauf bestanden hatte, daß nur Madeleine und er von der Kollaboration wüßten. Seit zwei Jahren ärgerte sich Mauro Dressler über diese sinnlose Geldausgabe; sie war nicht zu vermeiden. Aber Erwin Forbach konnte man wenigstens noch gut als Verbindungsmann zu Pullach gebrauchen. Er war ein zuverlässiger Vielzweckmann, nur an Madeleine hätte er sich nicht vergreifen sollen.
Der Mann, der das Büro betrat, war nicht der Liebhaber seiner Ex-Frau, sondern ein an diesem Ort unerwarteter Besucher. Er trug einen hellen, gutgeschnittenen Sommeranzug, der ihn jünger wirken ließ und in dem er sich sicher bewegte wie ein Dressman. Er vergewisserte sich mit einem Blick, daß Dressler allein war, nickte ihm beiläufig zu und nahm unaufgefordert Platz wie einer, der überall zu Hause ist.
»Sie hier?« fragte Dressler mehr erschrocken als erfreut.
»Nur ein paar Minuten«, beruhigte ihn Max Konopka. »Sie kommen schon noch rechtzeitig zu ihrer berufsblonden Attraktion.« Er lächelte wissend. »Besuchen Sie heute mit ihr das Blaue Haus, oder ist Ihnen das doch etwas zu gefährlich?«
»Mir ist nichts zu gefährlich«, erwiderte Dressler. »Sind Sie sicher, daß Ihnen keiner gefolgt ist?«
»Natürlich«, erwiderte der Spitzengenosse. »Aber was würde es schon ausmachen, wenn mir einer gefolgt wäre?«
»Ich möchte nicht kompromittiert werden«, versetzte der Geschäftsmann aus Zürich. »Muß ich Ihnen das erklären? Und jetzt, da wir vor großen Transitaktionen stehen, schon gar nicht.«
»Beim heiligen Karl Marx«, erwiderte Konopka, »meinen Sie, an Ihrem Ruf ist noch etwas zu verderben, Dressler?«
»Ich bitte Sie …«
Konopkas Mund platzte wie eine faule Schote: »Sie sehen die Dinge nicht ganz richtig. Wenn Sie auf Draht sind, wird sich unsere Bekanntschaft für Sie als wahre Goldgrube erweisen.«
»Einen Drink?« fragte der TRASCO-Chef.
»Wodka«, erwiderte der Mann von drüben. »Eisgekühlt.«
Während Dressler an den Kühlschrank ging, fragte er: »Was ist los mit Forbach?«
»Geschnappt.«
»Warum?«
»Offensichtlich eine Panne«, entgegnete der Mann im hellgrauen Tropical aufreizend gleichgültig.
»Wie ist das möglich?« erwiderte Dressler mißtrauisch. »Es ist noch nie etwas schiefgelaufen – außer wir hatten es abgesprochen.«
»Dann war es ja wohl an der Zeit, daß Ihre Leute endlich einmal aufflogen«, entgegnete Konopka zynisch. »Glatte Sachen sind doch in unserem Fach ganz krumme Geschichten, oder?«
Dresslers Augen wichen denen Konopkas aus. Er mußte dem Funktionär zutrauen, daß er zwar auf dem Band Madeleine den Auftrag gegeben hatte, den Leipziger Biologen durchzuschleusen, gleichzeitig aber seinen Schergen den Befehl, ihn auffliegen zu lassen, um seine sozialistische Tüchtigkeit zu beweisen und zugleich einen Schwanengesang für seinen Absprung in den Westen zu halten.
»Haben Sie Forbach hochgehen lassen, Herr Konopka?«
»Wenn ich's getan hätte, würde ich doch nicht aus dem Nähkästchen plaudern«, versetzte der Spitzenfunktionär. »Hören Sie schon auf zu jammern, Mann!« fuhr er den Eidgenossen an. »Fangen Sie lieber an zu denken, und zwar in Mark und nicht in Groschen.« Er wirkte kalt und routiniert wie ein Arzt, der dem erblindeten Hund die Todesspritze verabreicht. »Es geht doch nicht um Forbach, diesen kleinen Wicht – auch wenn er mit Ihrer Frau schläft –, sondern um den ganz großen Schlag. Vergessen Sie Ihren Nebenbuhler und denken Sie an das Unternehmen Sperber.«
»Sie meinen – diese Sperber-Aktion steigt nunmehr endgültig?« fragte Dressler hastig.
»Na, endlich ist er Groschen gefallen«, versetzte der rote
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