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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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an, eine Spur zu laut, als ob er selbst im Zimmer dieses Parteigewaltigen Wanzen vermutete. Ostberlin war eine der saubersten Städte, die Cynthia kannte, und trotzdem gab es nirgendwo anders mehr elektronisches Ungeziefer, es sei denn in Moskau.
    »Ich möchte es kurz machen, Genossin«, begann Lipsky.
    Als die Bundesdeutsche die übliche Ostanrede hörte, wußte sie endgültig, daß etwas Entscheidendes vorgefallen sein mußte.
    »General Lupus und ich sind bei dieser Ypsilon-Affäre in der Normannenstraße zu der Meinung gekommen, daß Sie enttarnt sind. Wir bedauern es außerordentlich. Die Panne ist sicher bei uns passiert.«
    Cynthia nickte zerstreut.
    »Es ist bitter – aber wir müssen Sie stilllegen«, sagte Lipsky, wiederum verzweifelt bemüht, das Sächseln zu vermeiden. »Aber wir möchten das groß aufziehen, Genossin. Morgen sechzehn Uhr im Haus der Republik, internationale Presse mit Funk und Fernsehen.«
    »Nicht schlecht«, erwiderte Cynthia Pahl, wiewohl ihr drohte, übel zu werden: eine westdeutsche Diplomatin als Überläuferin aus vollem Lauf – noch einmal ein Fall Otto John, im kleineren zwar, doch nicht minder wirksam.
    »Wir werden Ihnen dabei den Vaterländischen Orden überreichen und Sie bitten, über die westlichen Praktiken zu sprechen und über den Weg, auf dem Sie zu uns gekommen sind.«
    »Morgen?« entgegnete Cynthia mit zu hoher Stimme. »Morgen schon? Ich erwarte in den nächsten Tagen ganz wichtige Informationen aus Bonn und …«
    Lipsky lächelte.
    »Lassen Sie das«, versetzte er, »Ihre Informationen werden uns auch ohne Ihre bewährte Mithilfe bekannt.«
    Er lächelte tückisch.
    »Sie sind mit mir unzufrieden?« griff Cynthia ihn an.
    »Ihre Meldungen waren erstklassig, nur kamen sie immer ein wenig spät. Jeweils unmittelbar, bevor sie ohnedies allgemein bekannt wurden – nur ein kleiner Vorsprung, soviel, wie Ihre Auftraggeber in Pullach genehmigten.« Seine Augen nahmen Maß: »Sabotka, Ihr Führungsoffizier, muß geschlafen haben.«
    Cynthia merkte, daß sie in der Falle saß.
    Ein Mann wie Lipsky, dieser subalterne Machtkoloss, wußte, was er sagte.
    »Denken Sie mal an den Salon New Fashion«, fuhr er fort, »Sie haben ihn aufgesucht, obwohl Genosse Sabotka Sie warnte. Sie haben dort einen Mann getroffen, der unter dem Decknamen Emil für Pullach arbeitet.«
    »Auch Pullach-Agenten lassen sich ja wohl dann und wann die Haare schneiden«, erwiderte Cynthia Pahl gereizt.
    »Lassen wir das«, schnitt Lipsky weitere Erörterungen ab. »Für mich ist klar, daß Sie uns hereingelegt haben. Geben Sie Ihren hinhaltenden Widerstand auf«, setzte er hinzu und erhob sich, ohne daran zu denken, daß er dadurch den roten Fleck vorzeigte. »Ich beweise Ihnen Zug um Zug, daß Sie eine Doppelagentin sind.«
    »Ich möchte einen Anwalt sprechen«, erwiderte die Legationsrätin.
    »Seien Sie nicht albern«, entgegnete Lipsky. »Sie sitzen in der Falle. Ich werde Sie ab sofort völlig isolieren. Kein Anruf, kein Kontakt mehr nach drüben. Auch für die Hannoversche Straße werden Sie spurlos von der Bildfläche verschwinden. Ich garantiere Ihnen, daß die Mission uns gar keine Fragen über Sie stellen wird.« Sein Gesicht von der Stange verwandelte sich in eine Schlaumeier-Visage. »Kapiert, schöne Ex-Genossin?«
    Cynthia sah zum Fenster hinaus. Sie öffnete ihre Handtasche, suchte nach einer Zigarette, griff daneben. Endlich fand sie das Päckchen.
    Galant, wie der Genosse Immerda sein konnte, gab er ihr Feuer. »Also«, sagte er, »geben Sie zu, uns auf die Schippe genommen zu haben.«
    »Ich gebe gar nichts zu«, versetzte die Legationsrätin, wiewohl sie wußte, daß sie damit nicht durchkommen konnte.
    »Das ist nur eine Frage der Zeit«, erwiderte der Stasi-Gewaltige. »Sie sind doch intelligent. Sie werden doch wohl keine Zweifel haben, daß wir aus Ihnen herausholen, was immer wir wollen.«
    »Gut«, entgegnete Cynthia, »Sie haben mich in der Hand.«
    »Sehen Sie, Teuerste, jetzt verstehen wir uns schon bedeutend besser«, sächselte Lipsky drauf los und wartete, bis ihn Cynthia ansah: »Aber irgendwie gibt es in jeder verzweifelten Lage eine Hoffnung.«
    Sie sah durch ihn hindurch.
    »Nun hören Sie mir mal gut zu«, fuhr Lipsky fort. »Ich kann Ihnen vielleicht einen Weg aufzeigen, der Sie mit einem Schlag aus der Scheiße bringt.«
    Cynthia wirkte beherrscht, doch sie war verstört.
    Das Spiel, auf das sie sich eingelassen hatte, war zu Ende. Sie war aufgeflogen,

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