Die Nacht der Schakale
die Zusammenhänge. Sie saßen da mit geduckten Köpfen und heißen Händen. Lemmers, der Gruftspion, stieß unverständliche Drohungen aus. Brosam, der Genosse Kammgarn, inhalierte fortgesetzt unschädliche Lungenzüge aus seiner Zigarettenattrappe. Grewe sah kränker aus denn je, und Wellershoff war noch viel zu verstört, um diesen Titanensturz zu begreifen.
»Ich komme da wirklich nicht mit«, sagte Laqueur. »Es ist doch keine Frage, daß sich Konopka große Verdienste …«
»Keine Frage«, bestätigte Bevaujot. »Er war bis vor etwa achtzehn Monaten ein ungewöhnlicher, wenn auch außergewöhnlich erfolgreicher Spezialist. Er muß bei seinen Auslandsreisen westlichen Versuchungen erlegen sein.« Lupus sah von einem zum anderen. »Ich respektiere das Privatleben jedes einzelnen«, behauptete er, »aber Konopkas Lebenswandel hat mich von jeher vor Probleme gestellt.«
Er erhob sich, um die Konferenz zu beenden. »Ich habe dieses Gerücht über den Kuraufenthalt in der Sowjetunion verbreiten lassen. Dabei muß es auch bis auf weiteres bleiben. Danke, Genossen«, schloß er die düstere Besprechung und bedeutete Lipsky und dem Genossen Kammgarn, daß er sie noch brauche. »Bitte sofort lesen«, sagte Lupus dann zu Brosam. »Sie können sich solange in Sabotkas Zimmer setzen.« Er übergab ihm die Konopka vorenthaltene Zusammenstellung, die offensichtlich zu schade für den Reißwolf war. Es gab nur ein Original und keine Kopie; aber Lipsky brauchte auch keine, er hatte alles aufs Band gespeichert.
»Wie weit sind Sie mit KLABAUTERMANN?«
»Ziemlich durch. Ich hab' kein gutes Gefühl bei der Sache. Für mich ist KLABAUTERMANN enttarnt«, sagte Lipsky.
»Auch meine Meinung«, erwiderte der General. Dann lächelte er. »Aber wir werden etwas daraus machen. Verstehen Sie: Großer Bahnhof für KLABAUTERMANN mit internationaler Presse und Fernsehen. Wenn wir schon eine so hervorragende Quelle trockenlegen müssen, soll wenigstens die Propaganda …« Lupus unterbrach sich: »Sabotka ist nicht abkömmlich«, erinnerte er sich. »Würden Sie einspringen, Lipsky?«
»Selbstverständlich, Herr General«, antwortete er. »Es wird nicht ganz leicht sein, KLABAUTERMANN so weit zu bringen«, schloß Lupus das Gespräch, »aber ich verlasse mich auf Sie, Lipsky.« Er reichte ihm die Hand. »Wie immer.«
Phimoses ging in die Datenbank zurück. Er rief noch einmal den Salon New Fashion ab, stutzte, repetierte, lächelte, repetierte noch einmal.
Er hatte es auf einmal eilig, in sein Büro zu kommen. Seine Sekretärin wirkte erleichtert. »Ich wollte Sie nicht stören. Es waren schon zwei Anrufe aus dem Ministerium für Außenhandel. Diese Legationsrätin Pahl hat eine Verabredung mit dem Genossen Konopka und …«
»Schon gut«, erwiderte Lipsky und rief selbst seinen V-Mann an.
Ohne eine weitere Erklärung zu geben, befahl er ihm, die bundesdeutsche Diplomatin für 12.00 Uhr zu Max Konopka in das Ministerium zu bestellen.
»Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen«, sagte er, »und nun hören Sie gut zu …«
Er ließ sich den Befehl wiederholen.
Dann orderte er einen Wagen, der ihn ins Regierungsviertel brachte.
An der alten Renommierstraße Unter den Linden stieg Lipsky auf Höhe der sowjetischen Botschaft aus, die dem Ministerium für Außenhandel schräg gegenüberlag. Er sah wie blind in die Sonne, zum Brandenburger Tor hin, hinter dem es keine spitzköpfige Frau mit einem Doppelkinn und einer spitzzüngigen Tochter gab, wo kaum Muckefuck getrunken wurde und wo man, so man Geld hatte, jederzeit von der Mayo-Klinik als Patient angenommen wurde. Einen Moment lang spürte er diese Erkenntnisse wie ein Invalide den Phantomschmerz in einem Bein, das ihm längst amputiert wurde.
Lipsky wurde erkannt und devot begrüßt. Er fuhr hoch und sagte zu der verstörten Sekretärin: »Sie wissen ja Bescheid.« Dann nahm er an Konopkas wuchtigem Schreibtisch Platz. Er machte es sich bequem, legte für einen Augenblick sogar die Füße auf den Tisch, wie es die Amerikaner tun.
Dann hörte er Stimmen im Vorzimmer und erhob sich, als er die Eintretende erkannte.
»Frau Doktor Pahl«, begrüßte er die Besucherin im eleganten Straßenkostüm. »Bitte nehmen Sie Platz.«
»Ich wollte zu Herrn Konopka.«
»Ich vertrete den Genossen Konopka«, entgegnete er. »Lipsky, mein Name …«
»Ich weiß«, antwortete Cynthia Pahl ein wenig beunruhigt.
Er wartete, bis sich die Legationsrätin gesetzt hatte. Dann stellte Lipsky das Radio
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