Die Nacht der Schakale
Mutter, verschiedene Väter – sagen wir in Magdeburg, Adresse legen wir noch fest. Du wolltest ihn über die TRASCO herüberholen lassen. Ihr seid vom Hotel weg in die Bierkneipe gegangen. Ihr wart euch fast einig und wolltet morgen das Gespräch beim Katerfrühstück fortsetzen. In der frischen Luft habt ihr erst bemerkt, wie viel ihr getrunken habt. Dressler wollte ins Hotel, und du warst noch auf ein Abenteuer aus. Ihr habt euch getrennt, und von da ab herrscht bei dir totale Sonnenfinsternis.«
»Erstaunlich, wie du dich auskennst, Steve.«
Wir hatten das Kasernenviertel erreicht und bogen in die Einfahrt ein. Der Freund rief dem Posten etwas zu: der GI winkte uns durch. Wir fuhren an einer langen Reihe geparkter Fahrzeuge vorbei und hielten dann vor einer schmucklosen Villa, wo uns der BND-Mann Ritter bereits erwartete.
Während ich meine Aussage in die Maschine tippte, berichtete ihm Steve über meine Begegnung mit dem TRASCO-Chef. Wir standen vor der Lösung, aber waren doch alle drei weit davon entfernt, den Schwarzen Freitag unserer roten Gegenspieler bereits jetzt zu feiern.
Der Spezialist aus dem Pullacher Camp machte sich auf den Weg, um mich bei der Berliner Kripo, bei seiner eigenen Filiale und auch bei seiner Konkurrenz, dem Verfassungsschutz, abzuschirmen. Berlin ist noch immer ein heißes Pflaster, doch es lief alles bestens.
Berlin bleibt Berlin, was den Untergrund betrifft, wenn es auch nicht mehr das Shanghai Europas der ersten Nachkriegsjahre ist, als sich in der Frontstadt Nachrichtendienste, Kampfgruppen und Sabotagetrupps jeweils im Dutzend tummelten. In der Zeit der Menschenentführungen auf die andere Seite, aber auch der Spionage-Idylle aus Papas Zeiten: Wenn zum Beispiel zwei Männer, die sich nicht kannten, auf einer Bank saßen und vorbeirollende Transporte und Panzer zählten, merkten sie an der Zigarettensorte, die sie rauchten, für welchen Verein sie arbeiteten.
Den Vogel schoß ein Pullacher ab, der einen Schwan dressiert hatte: Während Rotarmisten auf der Glienicker-Brücke gelangweilt nach dem Klassenfeind Ausschau hielten, schwamm das abgerichtete Tier mit Mikrofilmen in einem Plastikbeutel unter den Flügeln ans andere Ufer. Gewissermaßen Lohengrin mit Pfiff, wobei nicht selten auch noch die gutmütigen Sowjetsoldaten den gefiederten Agenten mit Brotkrümeln fütterten.
Die Verkehrspolizei war federführend bei der Aufklärung des Falls Dressler: Anzeige gegen Unbekannt. Fahrerflucht nach Verkehrsunfall mit Todesfolge. Der TRASCO-Chef tauchte im Pressebericht nur als Mauro D. auf und war dadurch für die Reporter der Berliner Zeitungen ein Drei-Zeilen-Fall.
Wir verständigten noch unser Headquarter in Langley. Gregory war schon zu Bett gegangen. Er würde beim Erwachen eine Überraschung erleben. Steve ließ für Renate ein Ticket für die Morgenmaschine von Tegel nach München hinterlegen. Inzwischen kümmerte sich Ritter um das platinblonde Horchgerät; er ließ es einfach verschwinden.
Steve brachte mich selbst ins Intercontinental zurück; es war mittlerweile sieben Uhr morgens.
»Es sieht so aus, als würden wir schneller nach New York kommen, als wir erwartet hatten«, sagte ich zu meinem Begleiter. »Eine schnelle, saubere Lösung«, fuhr ich fort. »Wir übergeben dem großen Gregory den Genossen Konopka; er kann dann selbst entscheiden, was er mit ihm anfangen will. Und wir sind beide aus dem Schneider.«
»Und das glaubst du wirklich?« fragte Steve gähnend.
»Nein, das glaub' ich nicht«, versetzte ich. »Ich hab' das dumpfe Gefühl, daß noch einiges auf uns zukommen wird.«
Ich ließ mich am Kudamm absetzen und ging zu Fuß zur Budapester Straße weiter, betrat das Hotel, ging gleich auf den Lift zu.
Der Mann an der Rezeption sah mich und rief mir nach: »Herr Schmidt! Wollen Sie Ihrer Gattin die Geburtstagsblumen gleich selbst mitbringen?«
»Geben Sie her«, sagte ich und schnappte mir die dreiunddreißig Baccara-Rosen. Dann fuhr ich mit dem belämmerten Gesichtsausdrucks eines Mannes nach oben, der vergeblich nach einer Ausrede sucht.
Renate schlief noch, wurde aber sofort wach, als ich in der Türe stand. Ich wickelte die blühende Pracht aus dem Papier. »Happy Birthday«, sagte ich und verbeugte mich.
»Du Windhund!« erwiderte sie lächelnd. »War's schön?«
»Gräßlich.«
»Das behaupten alle«, versetzte Renate. »Hinterher.«
»Mag sein«, entgegnete ich. »Aber sie werden nicht alle von der Berliner Polizei gesucht –
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