Die Nacht der Uebergaenge
der raffiniertesten Hochsteckfrisuren gewesen.
Damals, als ihre Mutter noch lebte. Nach der Begegnung mit Winston hatte sie
die Haare abgeschnitten und nie wieder hochgesteckt. Niemand sollte jemals
wieder ungehinderten, unerlaubten Zugang zu ihrer verwundbarsten Stelle haben.
Nicht einmal als Spenderin durfte sich jemand an ihrer Halsvene vergreifen.
Niemals oder Awendela wurde, falls es unbedingt nötig wurde, durch eine andere
Schwester ausgetauscht. Jetzt saß sie unschlüssig vor dem Sammelsurium aus
Haarspangen, Schmuckklemmen und kleinen Bürstchen. Sie wollte der neuen Frau
ihres Vaters unbedingt gefallen. Es konnte ja sein, dass Catalina Äußerlichkeiten
genauso wichtig waren wie ihr damals. Eine Frau hatte nun mal die Zierde ihres
Hauses zu sein und Catalina würde ein Neues gründen.
Nachdenklich fuhr sie mit den Fingerspitzen ihren Hals entlang. Es war so lange
her. Sie konnte sich nicht einmal mehr genau daran erinnern, was er alles mit
ihr angestellt hatte.
Nachdem er ihr Gesicht zerschnitten und einem Sonntagsbraten gleich gesalzen
hatte, damit sie sich immer an ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag erinnern
würde, hatte Winston sie bis auf den letzten Schluck ausgesaugt, weil er die
Bluttaufe, die er selbst vorzunehmen gedachte, auf grausame Art in die Länge
ziehen wollte und dabei selbst ihr Sterben in Kauf genommen hätte.
Direkt danach hatten die Warrior, die ihm endlich auf die
Spur gekommen waren, das Zimmer gestürmt, Winston von ihr fortgerissen und den
Rest des Ganzen hatte Wendy nicht mehr bei Bewusstsein erlebt. Ihr Vater hatte
sie gerade noch so durch sein eigenes Blut von den Toten zurückholen können.
Vergeben und V ergessen?
Wendy sah erneut in den Spiegel. Nein, das würden sie beide niemals können.
Es klopfte. Wendy rief den unerwarteten Besucher hinein und
schrak im nächsten Moment ängstlich zurück, als sie sah, wer da mit
engelsgleichem Gesicht und scheinbar götzengleicher Verehrung vor ihr das
dunkle Haupt senkte.
„Acantha!“ Wendys Stimme war nur noch ein brüchiges Flüstern,
was ihrem Gegenüber nicht entging.
„Seid gegrüßt, heilige Schwester aus dem Bund der Tri’Ora.
Ich wusste nicht, ob das Gerücht Eurer Ankunft stimmt, also bin ich ihm gefolgt
und fand Euch hier. Welch Freude in diesem bescheidenen Heim.“
Bei diesen zuckersüß gesäuselten Worten wurde Wendy schlecht.
Auch das entging Acantha nicht eine Sekunde und sie lächelte. Sie warf einen
Blick auf die Kommode und kam näher. Wendy erstarrte an ihrem Platz. Acantha
trat hinter sie. Eine Teufelin in Menschengestalt. Sie trug mitternachtsblaue
Seide, die ihren blassen, makellosen Teint hervorhob und überirdisch schön
leuchten ließ. Die langen dunklen Haare hingen in lockigen Kaskaden, ergänzt
durch Echthaarteile bis zu ihren schmalen Hüften hinab und die purpurfarbenen
Augen explodierten bei Wendys Anblick in einem spöttischen Feuerwerk aus lila,
dunkelrot und schwarz. Schwarz wie ihre Seele. Schwärzer als der Stoff, den
Wendy am Leib trug. Tödlich.
„Lasst mich Euch helfen, ja?“ Ohne Wendys Antwort abzuwarten,
griff Acantha in die Flut blonder Strähnen, die weicher und dichter waren als
ihre eigenen Haare. Der gespielte Ausdruck der Bewunderung wandelte sich in
einen des offenkundigen Hasses. Wendys Augen wurden groß vor Angst. Acanthas
Miene hart wie Stein.
Sie zog den Kopf des Mädchens an den zusammengenommenen Haaren schmerzhaft zu
sich heran und beugte sich zu ihr herunter. Ihr Mund war ganz dicht an ihrem
Hals und den warmen Atem dort auf ihrer Haut zu spüren, ließ Wendys Magen
rebellieren.
Acantha würde doch nicht... Oh Gott ...
Wendy zitterte und das Bett, auf dem ihre Waffen lagen, war mit einem Mal so
weit weg. Acantha hatte Macht über sie und Wendy konnte nichts dagegen tun.
Nicht einmal ihre unverkennbare Angst leugnen, die Winstons Schwester sowieso
von Anfang an bemerkt hatte. Wie alles andere auch. Nathan hatte ihr niemals
beweisen können, dass sie von der grausamen Tat ihres Bruders gewusst hatte und
das hatte einen Freispruch für den Rest der Familie Vijaya bedeutet, allerdings
nicht ohne schmerzhafte Abstriche. Die Wiedergutmachung, die Acanthas Familie
den Dracos leisten musste, hatte sie ordentlich bluten lassen und würde
wahrscheinlich für immer verhindern, dass sie letztendlich doch noch eine
Devena wurde. Macht und Einfluss waren nach dem Überfall auf Wendy durch den
Prozess empfindlich geschrumpft, auch wenn Acantha das gern bestritt.
„Ich habe
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