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Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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tatsächlich die Leiche ihrer
Mutter, die seit dem Tag ihrer Entführung neben ihr gelegen hatte, aus Gründen,
die Wendy nicht erkennen wollte, vom Bett aufhob und mit einem " For she's a
jolly good fellow " auf den Lippen durch das
Schlafzimmer tanzte.
    Er hatte ihr die Kehle durchgeschnitten und der Kopf auf den
schmalen einst sahnig weißen, nun bläulich schwarz schimmernden nackten
Schultern wackelte von einer Seite auf die andere, wie bei einer dieser
Lumpenpuppen, mit denen Wendy bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr gespielt
hatte, bevor sie achtlos fortgeworfen worden waren.
Auch Winston ließ das, was einmal ihre blühend schöne Mutter gewesen war, auf
den Boden fallen, als ihrer überdrüssig wurde, weil sie bereits schlimmer stank
als Landvieh. Etwas sehr viel Schöneres wartete darauf, vor Wendys in allen
Farben leuchtenden Augen enthüllt zu werden.
    „Warte kurz, Schatz. Lauf nicht fort. Ich habe etwas für
dich. Ein Geschenk!“
Wendy sammelte ihre neu erwachte letzte Kraft, zerrte und zog an ihren Fesseln.
Sie wollte sicher keine weiteren Geschenke von Winston. Doch sie war zu schwach
und die eisernen Ketten zu fest gebunden. Ihre Stärke war bis heute noch nicht
richtig entwickelt gewesen. Sie hatte sich von ihrer Mutter ernährt. Heute war
der eigentliche Tag ihres Erwachsenwerdens. An ihrem fünfundzwanzigsten
Geburtstag hätte sie endlich das Blut eines Mannes, garantiert das eines
Kriegers, trinken dürfen und dann wäre sie vollkommen gewesen. Sie hätte ein so
schönes Leben haben können, wenn sie eben nicht alles auf einmal hätte haben
wollen und ein bisschen mehr auf ihren Vater gehört hätte.
    Und dann kam Winston zurück. Lächelnd. Böser denn je. In der
einen Hand sein frisch geschärftes Rasiermesser und in der anderen eine Schale
mit glitzerndem, feinkörnigen Pulver, das Wendy gleich als das erkannte, was es
war und die Panik in ihr noch einmal tausendfach verstärkte. Gemahlenes Gold! Das ganz sicher mit
einer Prise Salz vermischt worden war.
" For she's a jolly good fellow, for she's a jolly good
fellow... for she's a jolly good fellow... that nobody can deny "…
     
    Neuzeit, Castle Harpyja,
kurz nach dem Ritual
    Wendy befand sich oben in dem Zimmer, in dem sie sich
umgezogen hatte. Sie saß vor dem kleinen, an einer Wand stehenden
Frisiertischchen und überlegte, ob sie nicht doch noch irgendetwas mit ihren
Haaren anstellen konnte, die in alle Richtungen abstanden, nachdem sie auf dem
Boden gelegen und somit jeden Versuch, sie nach einer Reise durch Nacht und
Wind glatt zu bekommen, zunichte gemacht hatte. Vor ihr lagen diverse
Utensilien, die ihr hätten helfen können, ihr Äußeres zu ändern, doch noch war
Wendy unschlüssig, diese selbst zu benutzen.
Sie wollte für sich keine Lost Soul beanspruchen, die sie schminkte und frisierte.
Tri’Ora hatten nicht eitel zu sein. Eine Regel, die ihr bisher noch nicht
geschadet hatte. Besonders deshalb, weil bei ihr von Schönheit, wie sie ohne
jede Bitterkeit feststellte, sowieso nicht zu sprechen war. Sie sah trotz ihrer
Entstellung immer noch gut aus. Allein der Glanz in ihren Augen erinnerte an
das Polarlicht bei Nacht in der weißen Arktis. Es war das, was sie getan hatte.
Was sie ihrem Vater angetan hatte. Sie hatte ihm die schlimmsten Stunden
bereitet und beinahe Schande vor den anderen Kriegern, da man ihn offenkundig
an der Nase herumgeführt hatte, was ihn übervorsichtig und misstrauisch werden
ließ. Genau deswegen hatte sie den Abstand zwischen ihnen gewählt. Sie war
nicht gut für ihn. Wendy hoffte sehr, dass es Catalina stets sein würde und
ihre Verbindung lange hielt.
    Die Wunde an ihrem Handgelenk heilte gut. Theodor Lancaster
hatte ihr vorhin etwas zu essen gebracht. Chryses hatte ihn geschickt. Der
Junge, der eigentlich in ihrem Alter war, hatte ihr auch den von Orsen
geschmiedeten Stern zurückgebracht, den sie sofort zurück in den Stoffbeutel
steckte, der an ihrem Waffengürtel hing. Es war ihr Glücksbringer und sie traf
damit eigentlich immer ihr Ziel, nachdem Bone ihr beigebracht hatte, damit zu
werfen. Theodor hatte Glück, dass es nicht sein Kopf gewesen war, auf den sie
es abgesehen hatte. Sie hatte ihm lediglich eine Lektion erteilen wollen. Er
entschuldigte sich offiziell für seine dumme Bemerkung, und Awendela tat es als
vergeben und vergessen ab. Danach zog sich der junge Lancaster zurück, damit
die Tri’Ora essen und ruhen konnte.
    „Okay! Wie ging das noch?“
Früher war sie eine Meisterin

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