Die Nacht der Uebergaenge
Blut zu
sehen, war beinahe unerträglich.
Er hatte gewusst, worauf er sich einließ und hatte keine Sekunde gezögert, es
zu tun. Sie war beinahe schon tot, als sie sie endlich gefunden hatten. Allein
der Gedanke würde ihn rot sehen lassen, also verdrängte er die Bilder und die
Gerüche, die ihm dabei unweigerlich in die Nase stiegen.
So hätte ihre Bluttaufe nicht stattfinden sollen. Es wäre Bones Privileg als
ihr Patenonkel gewesen, sie in die Welt der Erwachsenen einzuführen.
Das damals war die Perversion dieses heiligen Aktes und er schämte sich dafür,
sie erneut ausgeliefert zu sehen, selbst wenn er ihr keine Gewalt hatte antun
wollen. Er wollte sie retten. Er wollte jeden in diesem Schreckenshaus bis auf
die Knochen zerfleischen und sich in seiner tierischen Form an ihnen gütlich
tun.
Er hatte niemals geglaubt, dass die Bewohner des Hauses nicht mitbekommen
hatten, was für ein kranker Bastard Winston war.
Während sein Blut durch Awendelas Kehle floss und er jeden Atemzug zählte,
stellte er sich vor, was Nathan mit Winston anstellte, von dem man schon lange
nichts mehr hörte.
Irgendwann war hinter ihm ein Tumult ausgebrochen, als er schon
Sternchen gesehen hatte, weil sie mehr Blut benötigte als bei einer
gewöhnlichen Bluttaufe. Es machte nichts, dafür hatte man den Bund der Krieger
ins Leben gerufen. Sie sollten nicht töten, sie sollten retten und richten.
Theron musste Nathan aufhalten, der in seiner Raserei Ash als Bedrohung für
sein Kind wahrnahm. Irgendwie stimmte das ja auch. Er zwang ihr einen Blutbund
auf, doch wie groß die Versuchung auch gewesen war, ihr köstlich duftendes Blut
zu trinken, so hatte er es nicht getan.
Er dachte fest an seine Mutter, die sich damals in derselben Lage befunden hatte.
In den Händen eines grausamen Mannes, der sie wieder und wieder auf die
abscheulichste Art und Weise missbraucht hatte.
„Du wärst zu spät gekommen, Nathan! Entweder er oder ich! Dein Blut wäre
zu schwach gewesen! Er tut es, um sie zu retten! Halt an dich, oder du
verlierst sie für immer!“, hatte Theron auf seinen zweiten Mann eingeredet, um
ihn davon abzuhalten, Ash einfach mit einem einzigen Gedanken zu töten.
Am Ende hatte Nathan ihn ungeduldig zur Seite geworfen, um sich neben
seine Tochter zu knien.
Ash wusste nicht mehr genau, was danach passiert war, er war zu schwach
gewesen. Bone hatte ihn aus dem Haus geschafft und sich mit Tränen in den Augen
bedankt, dass er sein kleines Mädchen gerettet hatte, wo ihm die Hände gebunden
gewesen waren. Bone hatte ein großes Herz, das besonders für Kinder schlug,
auch wenn man es ihm nicht ansah. Er war der herzlichste Mensch, den man sich
vorstellen konnte.
Es war ein herber Schlag in das Gesicht der Krieger, sich dermaßen als Versager
fühlen zu müssen. Die Tochter eines der ihren war in die Hände eines Irren
gefallen und sie waren zu spät gekommen. Awendela war nicht mehr unversehrt.
Diese Sache lastete seit einhundert Jahren auf ihren Gewissen. Jeder von
ihnen fühlte sich dafür verantwortlich. Und deshalb reagierten sie auch so
empfindlich, wenn es um wehrlose Frauen ging. Lieber die Freiheit einer Frau
beschränken, als sie zum Opfer einer Gewalttat werden zu lassen.
Nathan und er hatten lange Zeit kein einziges Wort miteinander gewechselt.
Jagannatha hatte ihm kaum in die Augen sehen können. Ash verstand das, er hätte
sicher nicht anders reagiert.
Seine wunderschöne Tochter... Und seine Frau.
Gewöhnliche Immaculate hielten den Verlust kaum aus, bei Kriegern löste
er beinahe unaufhaltsamen Wahnsinn aus. Man musste ja nur an Manasses denken.
Aber Awendela hatte überlebt, sie war frei in ihren Entscheidungen, durch
nichts an ihn gebunden. Er hatte jeden einzelnen der Krieger gezwungen, einen
Eid abzulegen, es Nathans Tochter niemals zu sagen. Sie dachte, es wäre ihr
Vater gewesen, der sie gerettet hatte, was ja auch stimmte. Er war nur Nathans
Werkzeug gewesen.
Es würde sie nur noch mehr verletzen, wenn sie jemals die Wahrheit erfahren
sollte.
Er selbst lebte ein erfülltes Leben als Krieger und hatte schon lange keine
weibliche Gesellschaft mehr gesucht. Er lebte von Plasma. Heather war eine
Ausnahme gewesen, er konnte sie schließlich nicht elendig krepieren lassen.
Dass sie Gefühle für ihn entwickelte, war unvermeidlich, aber sie würden
vergehen, wenn die Zeit verstrich und sein Blut nicht mehr ihr Gefühlsleben
beeinflusste. Es war leider sehr stark und trübte ihr Urteilsvermögen. Wenn es
sie nicht
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