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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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wir uns nicht leisten«, sagte er nach einigem Überlegen. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen Indianer. Mit einem ihrer Häuptlinge bin ich sogar befreundet. Aber wie Sie wohl gemerkt haben, können die wenigsten Indianer für ihre Behandlung bezahlen, und die Regierung gewährt uns nur beschränkte Mittel für ihre Versorgung. Soll ich die Behandlung eines Weißen, der mit einem Goldnugget bezahlt, aufschieben und stattdessen einen Indianer vorziehen, der mir höchstens ein verlaustes Fell gibt?«
    »Ich habe ein wertvolles Biberfell bekommen«, erwiderte sie.
    »Das können Sie gern behalten, Schwester. Ich wüsste sowieso nicht, was ich damit anfangen soll. Meine Frau will nichts mit dem Indianerkram, wie sie es nennt, zu tun haben, und verkaufen kann ich das Ding hier auch nicht.«
    »Wir dürfen die Indianer nicht im Stich lassen, Doc. Das widerspricht Ihrem Eid, und ich würde es mir niemals verzeihen, wenn jemand stirbt, noch dazu ein Kind, nur weil wir uns geweigert haben, ihn zu behandeln. Ziehen Sie die Kosten meinetwegen von meinem Lohn ab, aber ich denke nicht daran, jemanden abzuweisen, nur weil er Indianer ist und kein Geld hat.«
    »Unsinn!«, zeigte Doc Boone ein gewisses Verständnis für ihre Haltung. »Ich bitte Sie lediglich, Ihre Fürsorge nicht zu übertreiben, weil uns die Regierung sonst die Mittel streicht und wir beide unsere Arbeit verlieren.« Er griff nach der Zigarre, die Barnette ihm anbot, und ließ sich Feuer geben. »Und jetzt ziehen Sie sich am besten um und machen sich an die Arbeit.«
    »Schwere Fälle?«
    »Eine Lungenentzündung, fürchte ich.«
    »Kein Wunder, wenn man sieht, wie manche dieser Goldsucher wohnen. Die Kälte ist wirklich mörderisch. Ich weiß immer noch nicht, warum ich nach Alaska gekommen bin. Draußen auf dem Trail bin ich beinahe erfroren.«
    Der Doktor lachte. »Dann warten Sie mal ab, bis es Januar wird.«
    »Betty-Sue hat sich wacker gehalten«, mischte sich Clarissa ein. »Sie ist eine gute Schwester, und die Goldsucher haben Vertrauen zu ihr. Sie hätten die Männer sehen sollen. Die hätten sie am liebsten dabehalten, und bestimmt nicht nur, weil sie jung und hübsch und ledig ist. Obwohl …« Ihre Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. »Da gab’s einen zahnlosen Heißsporn, der wollte sich unbedingt eine Spritze von ihr geben lassen, und zwar …«
    »Der war eine Ausnahme!«, fiel ihr Betty-Sue rasch ins Wort.
    Clarissa hätte den Satz sowieso nicht zu Ende gesprochen. Aus dem Gebäude der Weekly Fairbanks News kam der Besitzer gestürmt, ein spindeldürrer Mann mit lebhaften Augen, und blieb aufgeregt vor E.T. Barnette und dem Doktor stehen. Sein leichter Arbeitsmantel flatterte im Wind. »Was hab ich da gehört?«, rief er vorwurfsvoll. »Der Kassierer, den Frank Whittler und seine Männer bei dem Bankraub angeschossen haben, soll gestorben sein?«
    »Hab ich gerade von einem Kutscher gehört, der mir frische Vorräte aus Anchorage gebracht hat«, bestätigte Barnette. »Ich sag gerade zum Doc: Jetzt gibt’s kein Pardon mehr. Jetzt erwartet die Burschen der Strick. Das war kaltblütiger Mord, und dafür müssen, soweit ich weiß, alle drei Männer büßen.«
    »Und warum kommen Sie mit der Meldung nicht sofort zu mir?« Der Zeitungsmann war aufgebracht und schien Clarissa und Betty-Sue gar nicht zu beachten. »Wie soll ich denn eine einigermaßen aktuelle Zeitung herstellen, wenn die Bürger nicht gewillt sind, mir solche Neuigkeiten zu berichten?«
    »Ich war schon unterwegs, George.«
    »Papperlapapp! Sie ziehen es vor, die Neuigkeiten höchstpersönlich in der Stadt zu verbreiten, anstatt Ihrer ersten Bürgerpflicht nachzukommen und die Weekly Fairbanks News dabei zu unterstützen, mit aktuellen Meldungen auf den Markt zu kommen. Wo steckt dieser Kutscher? In Ihrem Handelsposten?«
    Der Händler war viel zu überrascht, um sich gegen den aufgebrachten Zeitungsmann zur Wehr zu setzen. »Im Saloon. Ich hab ihm ein Bier spendiert.«
    »Dann kommen Sie jetzt mit und spendieren ihm noch eins!« Er packte den verdutzten Händler am Ärmel und zog ihn von seinem Laden weg. »Ich will alles genau wissen. Wann ist der Kassierer gestorben? Wie reagiert die Öffentlichkeit in Anchorage auf seinen Tod? Will man Frank Whittler und seine Kumpane hängen sehen? Was sagt Thomas Whittler zu dem Mord? Kommen Sie! Und ganz nebenbei: Ich könnte auch ein Bierchen vertragen.«
    Doc Boone zog grinsend an seiner Zigarre und

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