Die Nacht der Wölfe
ausgelassenen Freude, die er bei jeder Berührung zeigte. »Cloud! Buffalo! Billy!« Auch die anderen Hunde umarmte und liebkoste sie ausgiebig, erfreut darüber, dass wenigstens Emmett und die drei alten Huskys zu Hause auf sie gewartet hatten.
Sie versorgte ihre Hunde mit Wasser und verbrachte die nächsten Stunden damit, neues Holz zu schlagen, obwohl noch genug Vorräte neben dem Ofen lagen, und die Blockhütte gründlich zu putzen, ein Vorhaben, das sie normalerweise tagelang vor sich herschob. Die anstrengende Arbeit lenkte sie von den quälenden Gedanken ab, die unweigerlich auftauchten, wenn sie innehielt, und ihr bedrohliche Bilder vorgaukelten. Spätabends sank sie erschöpft ins Bett, vor Müdigkeit außerstande, ihre Kleider auszuziehen und etwas zu essen. Nicht einmal ihre kostbare Schokolade rührte sie an.
Gegen böse Träume gab es kein Mittel, und sie taumelte hilflos von einem Albtraum in den nächsten, stolperte über die Leiche ihres Mannes und stürzte in einen dunklen Abgrund, stand plötzlich Frank Whittler gegenüber, der seelenruhig sein Gewehr auf sie richtete, unfähig, sich zu bewegen oder um Hilfe zu rufen, begegnete Bones und flehte ihn an, mit ihr zu sprechen und ihr einen Ausweg aus dieser Hölle zu zeigen. Doch der Wolf blieb stumm und löste sich langsam vor ihren Augen auf, bis er in wabernden Nebelschwaden verschwand.
Als sie am frühen Morgen aus dem Schlaf schreckte, hatte sie das Gefühl, nur wenige Minuten geschlafen zu haben, und fühlte sich so erschöpft, als hätte sie nicht nur einen Abend, sondern mehrere Tage so anstrengend gearbeitet. In der Kleidung, die sie während der vergangenen Tage getragen hatte, trat sie vor das Haus und ließ sich den frischen Wind ins Gesicht wehen, suchte den Waldrand und das Flussufer ab, als würde von dort das Unheil nahen, vor dem Bones sie gewarnt hatte. »Schon gut, schon gut, ich komme ja!«, reagierte sie auf das ungeduldige Gebell der Huskys, kehrte ins Haus zurück und brachte ihnen Lachseintopf und frisches Wasser. Die Hunde machten sich heißhungrig darüber her, als hätten sie tagelang nichts gefressen.
Wieder im Haus, brachte sie das Feuer im Ofen, das während der Nacht ausgegangen war, wieder in Gang, heizte Wasser auf und wusch sich gründlich. In frischer Kleidung und nach einem ausgiebigen Frühstück fühlte sie sich schon wohler. Sie blieb eine Weile sitzen und blickte ins unruhige Licht der Petroleumlampe, sah auch dort wieder Bilder, die sie nicht sehen wollte, und stand auf, um die quälenden Bilder aus ihren Gedanken zu vertreiben.
In ihrer Winterkleidung ging sie nach draußen. »Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug?«, rief sie Emmett zu. »Wenn wir uns bei dem Rennen nicht blamieren wollen, müssen wir noch ein bisschen trainieren!« Cloud, Buffalo und Billy meldeten lautstark ihren Protest an. »Schon gut«, rief sie, »ihr dürft auch mit! Ihr gehört noch lange nicht zum alten Eisen, das weiß ich doch.«
Sie band die Hunde los und ließ sie laufen. Zufrieden beobachtete sie, wie Emmett die anderen mit weiten Sprüngen hinter sich ließ und wieder einmal zeigte, in welch großartiger Form er war. Wenn er den anderen Hunden ihres Gespanns nur ein bisschen von seinem Können und seiner Begeisterung abgab, brauchte sie sich keine Sorgen wegen des Rennens zu machen. Emmett war der beste Leithund, den sie jemals gesehen hatte, kräftiger und schneller und auch viel intelligenter als Billy und Smoky, ein wahres Juwel.
Umso erstaunter war sie, als er plötzlich mit eingekniffenem Schweif zurückkehrte und sich ängstlich jaulend an ihre Beine drängte, die Schnauze in den Wind hielt und etwas zu wittern schien, das ihm große Sorgen bereitete.
Die anderen Hunde verharrten auf der Stelle und jaulten leise.
Clarissa ahnte, was geschehen würde, und hatte bereits Tränen in den Augen, als der Schlitten ihres Mannes am Flussufer auftauchte. Starr vor Entsetzen beobachtete sie, wie ihn die Hunde vors Haus zogen und stehen blieben.
Das Trittbrett war leer.
9
Nach dem Entsetzen kam brennender Schmerz. Wie Feuer fraß sich die Erkenntnis, dass Alex entweder tot oder schwer verletzt in der Wildnis lag, in ihren Körper und grub sich ätzend durch ihre Organe. Einer Ohnmacht nahe, sank sie weinend in den Schnee und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie versuchte verzweifelt, das Feuer in ihrem Körper zu löschen, sank nach vorn und grub ihr Gesicht in den eisigen Schnee, ohne eine Linderung zu spüren.
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