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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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und bedankte sich bei ihren Husky für die sichere Fahrt. »Gut gemacht, Emmett!«
    Im Blockhaus brannte Licht, und nachdem man auf ihr Klopfen die Tür öffnete, bot sich ein unerwartetes Bild. Schwester Betty-Sue kniete am Nachtlager einer weißhaarigen Frau. Bei ihrem Erscheinen wandte sie den Kopf. »Die Frau des Häuptlings. Es geht ihr nicht besonders.«

18
    In der Blockhütte war es ungewöhnlich warm. Der Kanonenofen glühte beinahe vor Hitze und ließ die Kleider, die über ihm an zwei Leinen aufgehängt war, knochentrocken werden. Auf dem Tisch im Wohnraum und im Schlafbereich brannten Petroleumlampen und verbreiteten unruhiges Licht. Es roch nach den Resten des Wildeintopfs, die in dem Topf auf dem Ofen schmorten.
    Vor dem Ofen saß ein weißhaariger Mann in traditioneller Kleidung, auf dem Kopf den Balg eines ausgestopften Raben und einige bunte Bänder, die er in seine streng gescheitelten Haare geflochten hatte, und betete mit geschlossenen Augen. Seine rechte Hand umklammerte eine Rassel aus Leder.
    Clarissa nickte den Bewohnern zu, darunter auch dem Häuptling und Matthew, der dicht hinter Betty-Sue saß, und ging neben der Schwester in die Hocke. Ihre Mütze und die Handschuhe legte sie auf die Kommode neben dem Bett. Um sie herum herrschte bedrückte Stille. Nur das Bullern des Ofens und das verstörte Weinen eines Babys waren zu hören. Das klagende Jaulen der Huskys vor der Hütte schien aus unendlicher Ferne zu kommen.
    Die Frau des Häuptlings lag stöhnend auf ihrem Nachtlager, einen Zipfel der Wolldecke gegen ihre linke Wange gepresst. Ihre bronzefarbene Haut glänzte im Licht einer Petroleumlampe. Betty-Sue hielt ihre Hand.
    »Das mit deinem Mann tut mir leid«, erklärte die Schwester, ohne aufzublicken. »Doc Boone hat mir erzählt, was passiert ist. Ich hoffe, man findet die gemeinen Typen, die das getan haben. Sie sollen in der Hölle schmoren!«
    »Das werden sie, Betty-Sue. Was hat die Frau?«
    »Ich musste ihr einen vereiterten Backenzahn ziehen«, erklärte die Schwester. »Ich habe ihr eine starke Medizin gegeben, aber es wird wohl einige Zeit dauern, bis die Schmerzen nachlassen.« Sie wischte der Frau mit einem sauberen Lappen den Schweiß von der Stirn. »Dabei habe ich den Zahn besser herausbekommen, als ich befürchtet hatte. Er saß tief im Zahnfleisch.«
    »Und ich dachte …«
    »Ich weiß, was du dachtest.« Erst jetzt hob Betty-Sue den Kopf. »Aber so war es nicht. Ich bin nur hier, weil der Häuptling darauf bestand, dass ich seiner Frau helfe.« Sie klang fast ein wenig zornig. »Warum sollte ich Doc Boone wecken? Sobald er erfahren hätte, um was es ging, hätte er sowieso mich losgeschickt.« Sie blickte ihre Patientin an und drückte ihre Hand. »Das Mittel wirkt gleich«, sagte sie zu ihr, »dann gehen die Schmerzen zurück. Sie waren sehr tapfer, Emily. In ein paar Tagen sind Sie wieder auf dem Damm.«
    Emily lächelte flüchtig, verzog aber gleich wieder das Gesicht und gab sich ihrem Schmerz hin. Als sie etwas zu sagen versuchte, war nur ein unverständliches Brummen zu hören. Sie schloss die Augen und stöhnte leise.
    »Matthew hat mich geholt«, sagte Betty-Sue. Sie sprach so leise, dass sie niemand außer Clarissa verstand. »Woher er wusste, in welchem Zimmer ich schlief, weiß ich nicht. Weil er ein guter Spurenleser ist, nehme ich an.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Er warf einen Stein gegen meine Fensterscheibe.« Sie errötete. »Ich wäre auch mit einem anderen Indianer gefahren. Oder was hättest du getan, wenn dir jemand sagt, dass die Frau des Häuptlings große Schmerzen hat und die Indianer nur dich sehen wollen?«
    Clarissa warf einen raschen Blick auf den Häuptling, erkannte aber nicht, ob er ihre Worte hören konnte. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. »Doc Boone macht sich Sorgen«, sagte sie. »Er hat mich gebeten, nach dir zu suchen.«
    »Und du wusstest gleich, wo du mich finden würdest?«
    »Das war nicht schwer zu erraten. Obwohl ich dachte, du wärst aus einem anderen Grund … Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse. Ich bin froh, dass du nicht ohne Anlass aus Fairbanks verschwunden bist, sonst wärst du jetzt vielleicht deine Arbeit los und stecktest bis zum Hals in Schwierigkeiten.« Sie bemühte sich, Matthew nicht anzusehen, spürte aber auch ohne Blickkontakt die unsichtbare Verbindung zwischen ihm und Betty-Sue.
    Der Medizinmann begann mit einem eintönigen Singsang und schüttelte seine Rassel, und

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