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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Mrs Carmack. Hundert Dollar vor zwei Monaten und noch einmal hundert Dollar vor einem Monat, dazu die Gebühren … sehen Sie selbst!« Er schob ihr den Aktenordner hin und deutete auf die Unterschrift ihres Mannes. »Ich habe ihm das Geld selbst ausgehändigt, Mrs Carmack.«
    Sie blickte auf den Kreditvertrag und schüttelte den Kopf. Das war Alex’ Unterschrift, daran gab es keinen Zweifel, und der Betrag stand in deutlich lesbaren Zahlen daneben. »Hat er gesagt, wofür … wofür er das Geld braucht, Mister Flemming?« Ihre Stimme zitterte. »Über zweihundert Dollar …« Sie kramte ein Taschentuch hervor und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Nein, Mrs Carmack, den Verwendungszweck wollte er mir nicht nennen. Die Sache sei … nun … sehr persönlich. Normalerweise vergeben wir keine Kredite, ohne den Grund dafür zu kennen, aber ich kenne Sie und Ihren Mann als ehrenhafte Leute und hatte keinen Grund, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Als er mich bat, Ihnen den Kredit zu verschweigen, nahm ich an, es würde sich um eine Überraschung handeln, einen neuen Husky vielleicht …«
    »Nein … kein Husky …« Sie zog den kleinen Lederbeutel aus der Tasche und schüttelte ungefähr drei Viertel des Inhalts auf den Tisch. »Ich kann Ihnen nur das geben, Mister Flemming. Ich weiß, es ist nicht besonders viel, aber mehr kann ich im Moment leider nicht entbehren.« Ihre Stimme gewann langsam wieder an Kraft. »Ich nehme an, das sind ungefähr achtzig Dollar.«
    Der Banker blickte sie zweifelnd an, schob die Goldkörner auf eine Hand und verschwand im Schalterraum. Sie hörte, wie er die Nuggets auf eine Waage legte. »Sechzig Dollar«, sagte er, als er zurückkam, »mehr kann ich Ihnen dafür nicht geben. Gold ist lange nicht mehr so viel wert wie früher.«
    »Sechzig Dollar …« Sie blickte ihn betrübt an, hatte das Gefühl, dass er sie übervorteilte, trotz seines bedauernden Lächelns. »Ich dachte, es wäre mehr.«
    »Ich kann mit den Zinsen heruntergehen, Mrs Carmack, aber hundertvierzig Dollar wären es noch auf jeden Fall, und die bräuchte ich spätestens in … nun, sagen wir in drei Monaten. Weiter kann ich Ihnen leider nicht entgegenkommen.« Er setzte sich und schrieb eine Quittung für die Goldkörner aus. »Glauben Sie denn, Ihre Verbindlichkeiten bis dahin begleichen zu können?«
    Sie hatte sich inzwischen einigermaßen von dem Schrecken erholt und gab sich bereits wieder kämpferisch. »Ich werde eine Möglichkeit finden, Mister Flemming. Eventuell steige ich bei einer Freundin in Dawson City ein, sie besitzt dort ein Roadhouse. Sie bekommen Ihr Geld, das verspreche ich Ihnen.«
    Clarissa verabschiedete sich und kehrte auf die Straße zurück. Der Wind, der ihr dort entgegenblies, schien noch kälter geworden zu sein, der aufgewühlte Schnee auf der Hauptstraße noch schmutziger. Zweihundert Dollar! Wofür hatte Alex dieses Geld nur gebraucht? Und warum hatte er mit ihr nicht darüber gesprochen? Bisher hatte sie immer geglaubt, es hätte keine Geheimnisse zwischen ihnen gegeben. Was war plötzlich in ihn gefahren?
    Sie überquerte die Straße und kniete neben Emmett nieder. »Zweihundert Dollar, stell dir vor! Was hat er bloß damit gemacht?« Sie kraulte ihren Leithund gedankenverloren zwischen den Ohren und spürte ein leichtes Prickeln im Nacken, einen Anflug von Sorge. »Er wird doch nicht gepokert haben? Das hätten wir doch gemerkt, oder? Vielleicht einen Whiskey oder auch zwei und ein kleines Spielchen, aber zweihundert Dollar? Damals in Kanada hat er mal ein gutes Biberfell beim Pokern verloren, und da lief er schon drei Tage mit Leichenmiene herum … Nein, um solche hohen Beträge hat er niemals gespielt. Es muss was anderes sein … Er muss ein Geheimnis gehabt haben …«
    Emmett wusste leider auch keine Antwort, spürte aber, wie sehr sie unter ihrem Kummer litt, und zeigte ihr mit jeder Geste, dass sie sich auf ihre vierbeinigen Freunde verlassen konnte. Auch jetzt rieb er wieder seine Schnauze an ihrem Bein. Die anderen Huskys meldeten sich mit einem leisem Jaulen.
    »Ihr seid in Ordnung«, sagte sie. »Ich wüsste nicht, was ich ohne euch anstellen würde.« Sie drückte Emmett fest und wiederholte die Liebkosung mit allen anderen Huskys. Mit Tränen in den Augen stand sie auf. »Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen, hört ihr?« Die Aufmunterung war eher für sie selbst bestimmt. »Das hätte Alex bestimmt nicht gewollt. Habt ihr gesehen, wie hell das Nordlicht

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