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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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keuchte und rang nach Luft, während ich rannte. Sechs Meter weiter sah ich eine Pfütze, die im kränklichen Licht einer halb toten Lampe dunkelrot glänzte. Ausläufer von Blut streckten sich wie Tentakeln in alle Richtungen und wurden dann zu einer einzelnen dünnen Spur, die weiter geradeaus führte. Ich folgte der Spur. Vor mir sah ich Nicks weißes Hemd in der Dunkelheit auf und ab tanzen. Ich hörte Clays Schritte, konnte ihn aber nicht mehr sehen. Die Blutspur führte um zwei Ecken. Als ich um die Zweite bog, sah ich Clay und Nick unmittelbar vor mir; beide hatten kehrtgemacht. Sie hatten erst jetzt bemerkt, dass die Spur in einer Blutpfütze unmittelbar hinter der Ecke endete.
    Ich bückte mich, tauchte einen Finger in das Blut und hob ihn an die Nase.
    »Und?«, fragte Clay.
    »Jeremys«, flüsterte ich.
    »Hier ist noch viel mehr davon, wenn ihr mal genauer hinseht«, sagte eine tiefe Stimme.
    Clay hob ruckartig den Kopf. Wir sahen uns um und entdeckten eine Laderampe zu unserer Rechten. Clay sprang hinauf auf das meterhohe Sims und verschwand in der Dunkelheit der Öffnung. Nick und ich folgten ihm. Am hinteren Ende der Rampe saß Jeremy in der Ecke, den Fuß auf einer zerbrochenen Kiste, während Antonio damit beschäftigt war, Streifen von seinem Hemd zu reißen. Als wir uns näherten, hob Jeremy den linken Arm, um sich die Haarfransen aus der Stirn zu schieben, zuckte zusammen und verwendete stattdessen die rechte Hand.
    »Ist alles in Ordnung mit euch?«, fragte ich.
    »Peter ist tot«, antwortete Jeremy. »Wir sind in einen Hinterhalt geraten.«
    »Wir waren auf dem Rückweg zum Auto«, fügte Antonio hinzu, während er die nächste Schicht von Verbänden um Jeremys Bein legte. »Ich bin losgegangen und hab ein Klo gesucht. Fünf Minuten. Ich kann kaum um die Ecke gewesen sein –« Er hielt den Blick auf seine Arbeit gerichtet, aber ich hörte den Selbstvorwurf aus jedem einzelnen Wort. »Keine fünf Minuten. Ich lege eine gottverdammte Pinkelpause ein –«
    »Sie haben auf eine Gelegenheit gewartet«, sagte Jeremy. »Jeder von uns hätte sich einen Moment lang wegdrehen können, und sie hätten die beiden anderen angegriffen.«
    Antonio warf einen Blick über die Schulter, während er weiterarbeitete. »Der Neue, der Mutt, der Logan umgebracht hat, ist mit einem Messer auf Jeremy losgegangen.«
    »Einem Messer?« Clay sah wie zur Bestätigung zu Jeremy hinüber; er hätte nicht ungläubiger aussehen können, wenn Antonio gesagt hätte, Jeremy sei mit einer antiken Haubitze beschossen worden. »Einem Messer?«
    Jeremy nickte.
    Antonio fuhr fort: »Sie haben Peter und Jeremy angegriffen. Niemand hatte Zeit zum Reagieren. Als ich aufgetaucht bin, sind sie abgehauen. Ich wäre ihnen nachgelaufen, aber Jeremy hat ziemlich übel geblutet.«
    »Nicht, dass ich dich hätte gehen lassen«, sagte Jeremy. »Aber wir haben jetzt keine Zeit für die Details. Wir müssen hier Ordnung machen und verschwinden.«
    Er machte Anstalten aufzustehen. Clay sprang über die Kiste und half ihm auf die Füße.
    »Wir haben Peter liegen lassen«, sagte Jeremy.
    »Ich weiß«, antwortete ich. »Wir haben ihn gefunden.«
    »Zwischen den Müllsäcken«, sagte Antonio, während er sich mit der Hand übers Gesicht wischte. »Das war nicht richtig. Es ist furchtbar. Aber Jeremy hat geblutet, und ich –«
    »Du musstest schnell ein Versteck finden«, unterbrach Jeremy. »Niemand macht dir daraus einen Vorwurf. Wir holen ihn jetzt und bringen ihn nach Hause.«
    Clay half Jeremy von der Rampe herunter. Ich schob mich auf seine linke Seite, um seinen Arm zu nehmen; dann fiel mir ein, dass der Arm ebenfalls verletzt war, und ich beschränkte mich darauf, neben ihm zu gehen, um ihn stützen zu können, wenn das Bein nachgeben sollte. Ich gab Nick die Autoschlüssel, und er rannte voraus, um den Camaro ans Ende der Gasse zu fahren. Als wir den Müllhaufen erreichten, deckte Antonio Peters Leiche auf und säuberte sie.
    »Marsten bezahlt für das hier«, sagte Clay, während er auf Peter hinuntersah; seine Hände ballten sich an seinen Seiten abwechselnd zu Fäusten und öffneten sich wieder. »Wirklich, dafür bezahlt er.«
    »Marsten hat Peter nicht umgebracht. Es war Daniel.«
    »Dan –« Clay brachte den Rest des Namens nicht mehr heraus. »Ah, Scheiße.«
    Ich legte die Fahrt nach Stonehaven in Antonios Mercedes zurück; ich saß mit Jeremy auf der Rückbank, nur für den Fall, dass die Blutung wieder stärker wurde. Antonio fuhr

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