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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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schweigend. Jeremy starrte zum Fenster hinaus, während er den Verband gegen sein Bein drückte. Ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren als darauf, durch die Windschutzscheibe mein eigenes Auto zu beobachten und an Peters Leiche im Kofferraum zu denken. Stattdessen dachte ich an die Mutts.
    Es war schließlich also doch Daniel gewesen. Das bedeutete Ärger. Geballten Ärger. Daniel wusste viel besser als Marsten und Cain darüber Bescheid, wie das Rudel funktionierte, wie jedes einzelne seiner Mitglieder funktionierte. Er hatte selbst zum Rudel gehört, war mit Nick und Clay aufgewachsen … oder genauer gesagt, er war neben ihnen aufgewachsen; ›mit ihnen‹ hätte womöglich den Anschein erweckt, als seien die drei Jungen Gefährten gewesen. Nun waren Nick und Daniel vor Clays Auftauchen tatsächlich so etwas wie Spielgefährten gewesen; die Altersgleichheit hatte sie zusammengebracht, etwa wie bei Cousins, die bei Familienfesten miteinander spielen, weil sonst niemand da ist. Dann kam Clay. Ich bin mir über die Details nicht vollständig im Klaren, aber man hatte mir erzählt, dass Clay und Daniel sich vom ersten Augenblick an nicht ausstehen konnten. Das entscheidende Ereignis scheint gewesen zu sein, dass Daniel eine Unterhaltung zwischen Nick und Clay mit anhörte und davonstürzte, um das Rudel mit der Geschichte von Clays Ausschluss aus dem Kindergarten zu beglücken. Offenbar hatte Clay das gruppeneigene Meerschweinchen seziert, um herauszufinden, wie es funktionierte, aber wie ich schon erwähnt habe, über die Details bin ich nicht vollständig informiert – als ich Clay danach fragte, sagte er, es sei zu diesem Zeitpunkt schon tot gewesen, was seiner Ansicht nach wohl eine vollkommen ausreichende Erklärung war. Aber wie auch immer, die Geschichte war Jeremy peinlich, denn er hatte die Details etwas geschönt, als er den anderen erklärte, weshalb Clays Kindergartenlaufbahn nach einem Monat schon wieder vorbei war. Und Jeremy in Verlegenheit zu bringen reichte völlig aus, um Daniel Clays dauerhaften Groll zu sichern.
    In den folgenden Jahren wurde das Verhältnis zwischen den beiden nur noch schlechter, weil Daniel und Clay um die führende Position in der jüngeren Generation kämpften. Oder vielleicht sollte ich sagen, Daniel kämpfte um sie. Clay ging einfach davon aus, dass sie ihm zustand, und reagierte auf Daniels Ambitionen mit der trägen Verachtung eines Menschen, der nach einem Moskito schlägt. Als alle drei Anfang zwanzig waren, wurde Jeremy Alpha. Vielleicht habe ich den Eindruck erweckt, es sei eine unblutige Nachfolge gewesen. Es war nichts dergleichen. Sieben Mitglieder des Rudels unterstützten Jeremy, vier taten es nicht, unter ihnen Daniel und sein Bruder Stephen. Die Uneinigkeit erreichte ihren Höhepunkt, als Stephen Jeremy zu ermorden versuchte. Clay tötete ihn. Daniel behauptete, sein Bruder sei unschuldig gewesen und Clay habe ihn nur ermordet, um einen Gegner von Jeremys Nachfolge aus dem Weg zu räumen. Als Jeremy offiziell Alpha wurde, entschied Daniel, dass es in dem neuen Rudel keinen Platz für ihn gab.
    Unglückseligerweise war dies noch nicht das Ende der Geschichte. Sie mochten keine Brüder mehr sein, aber Daniel und Clay waren sich seit damals noch oft in die Quere gekommen. Als ich auf der Bildfläche erschien, wurde es noch schlimmer. Daniel setzte sich in den Kopf, dass er mich unbedingt haben musste, und wenn es nur wäre, weil ich seinem Erzrivalen ›gehörte‹. Als Daniel meine Bekanntschaft machte, hielt ich ihn zunächst tatsächlich für einen netten Kerl. Ich glaubte ihm, dass er von Clay schlecht behandelt und verleumdet worden war – zu dieser Zeit glaubte ich alles, was Clay in einem üblen Licht erscheinen ließ. Eines Tages hatte ich Antonio nach San Diego begleitet, wo dieser einen anderen Mutt zu verwarnen hatte, und weil ich wusste, dass Daniel seit ein paar Monaten ebenfalls hier lebte, nutzte ich eine Gelegenheit, um bei ihm vorbeizuschauen und guten Tag zu sagen. Als ich in seiner Wohnung eintraf, erwischte ich ihn dabei, wie er eine Frau im Schrank zu verstecken versuchte. Nun wäre das nicht weiter schlimm gewesen, wenn die Frau noch am Leben gewesen wäre. Offenbar war sie es bis zu dem Augenblick gewesen, in dem ich an der Tür klingelte, woraufhin Daniel ihr das Genick brach und die Leiche in einen Schrank zu stopfen versuchte, damit ich ihn nicht in Gesellschaft einer anderen Frau antraf. Danach neigte ich eher dazu,

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