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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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zu stehen und darüber nachzudenken würde mir nicht weiterhelfen.
    Eine schmale Reifenspur führte eine Durchfahrt entlang in die Richtung, in der ich das Auto kreisen hörte. Die Gasse war schlammig und kaum breit genug, um einen Mercedes durchzulassen, ohne dass die Rückspiegel zerkratzt wurden, aber ich wusste, Schmutz oder Kratzer würden Antonio nicht weiter stören. Sowohl Clay als auch Antonio mochten ihre teuren Autos, betrachteten sie aber strikt als Gebrauchsgegenstände, dazu konstruiert, ihre Besitzer rasch und komfortabel von Punkt A nach Punkt B zu bringen. Makelloses Aussehen war keine Bedingung. Ich machte mich auf den Weg die Gasse entlang, wobei ich die Pfützen und tiefen schlammigen Radspuren zu vermeiden versuchte. Irgendwann zweigte eine Gasse nach rechts ab, aber ich hätte die Reifenspuren nicht zu sehen brauchen, um zu wissen, dass das Auto geradeaus gefahren war. Um diese Ecke zu biegen hätte mehr als nur ein paar Schichten Lack gekostet. Als ich mich weiter und weiter von der Hauptstraße entfernte, wurde der Weg breiter und begann leicht zu steigen, und statt mit Schlamm war der Boden jetzt mit Kies bedeckt. Müllcontainer säumten ihn auf der rechten Seite, aber es war immer noch genug Platz für den Mercedes. Der trockenere Boden ließ mich sehr deutlich spüren, wie viel schlammiges Wasser mir inzwischen in die Schuhe gelaufen war. Bei jedem Schritt machten meine Sneakers ein quitsch-quatschendes Geräusch, und meine Stimmung sank. Ich war drauf und dran, zu der Bank zurückzustürmen und Jeremy anzurufen, damit er mir Antonios Handynummer gab, als ich vor mir Silber glänzen sah. Ich blieb stehen. In etwa dreißig Meter Entfernung mündete der Durchgang auf ein unbebautes, unkrautbewachsenes Grundstück, und während ich noch hinsah, glitt der Mercedes an der Öffnung vorbei. Ich schwenkte die Arme, aber das Auto war schon wieder hinter der Ziegelmauer verschwunden.
    »Nun kommt schon, Leute«, murmelte ich. »Was soll das Versteckspiel?«
    Ich trottete in meinen durchweichten Schuhen weiter, winkte jedes Mal, wenn der Mercedes vorbeifuhr, und murmelte zunehmend unfreundliche Dinge, als er nicht anhielt. Als ich an der Einmündung einer weiteren Gasse vorbeikam, hörte ich ein leises Geräusch, ignorierte es aber; ich war nicht in der Stimmung für neugierige Exkursionen. Drei Meter weiter hörte ich hinter mir Kies knirschen, und ein großer Schatten schob sich von links in mein Blickfeld. Clay. Riechen konnte ich ihn nicht, weil der Wind mir entgegenkam, aber seine kleinen Witze erkannte ich auch so. Gerade als ich herumfuhr, packte eine Hand mich von hinten an der Bluse und schleuderte mich mit dem Gesicht voran auf den Boden. Okay. Also doch nicht Clay.
    »Steh auf«, sagte eine Stimme, während ein gigantischer Schatten über mich fiel. Ich hob den Kopf und spuckte Kies und Blut. »Was denn – kein geistreiches Wortspiel? Kein kluger Einzeiler?«
    »Steh auf.«
    Cain packte mich wieder am Kragen und zerrte mich auf die Füße – er setzte mich so hart auf, dass ein Knöchel unter mir nachgab. Ich wischte mir mit großem Aufwand den Schmutz aus dem Gesicht und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar.
    »So begrüßt man eigentlich keine Frau, Zack«, sagte ich. »Kein Wunder, dass du dafür bezahlen musst.«
    Cain stand mit verschränkten Armen da und sagte nichts. Seine Schultern blockierten den halben Durchgang. Dunkelblondes Haar über einem Bulldoggengesicht.
    »Wartest du drauf, dass ich wegrenne?«, fragte ich. »Oder versuchst du dir immer noch eine Antwort einfallen zu lassen?«
    Er setzte sich in Bewegung. Ich drehte mich um und sprintete auf das Ende der Gasse zu. Ein Mutt hält seine Stellung und kämpft. Ein Rudelwerwolf weiß, wann er rennen muss. Ich war kein Gegner für Zachary Cain – nicht einmal an meinen besten Tagen, und heute war entschieden nicht mein bester Tag. Ich war halb so groß wie Cain, aber doppelt so schnell. Wenn ich das Ende der Gasse erreichte, würde ich in Sicherheit sein. Die beiden besten Kämpfer des Rudels warteten dort auf mich, und ich war weder stur noch dumm genug, um ihre Hilfe nicht in Anspruch zu nehmen. Auf halber Strecke sah ich den Mercedes ein weiteres Mal vorbeifahren. Ich riss beide Arme hoch, um zu winken, und setzte dabei den linken Fuß falsch auf. Als ich stürzte, verschwand das silberne Auto langsam aus meinem Blickfeld.
    Ich rappelte mich auf, aber inzwischen war es zu spät. Cain streckte den Arm aus und packte mich

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