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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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sich nie als der Maler in der Öffentlichkeit blicken. Niemand außerhalb des Rudels kam jemals nach Stonehaven mit Ausnahme von Handwerkern und Lieferanten, die sorgfältig überwacht wurden, und so waren seine Bilder in dem Atelier sicher.
    Jeremy malte auch Menschen, aber seine Modelle waren ausschließlich Mitglieder des Rudels. Eins seiner Lieblingsbilder hing an der Wand neben dem Fenster. Auf dem Bild stand ich nackt am Rand einer Klippe, den Rücken dem Betrachter zugewandt. Clay saß neben mir auf dem Boden, den Arm um eins meiner Beine gelegt. Am Fuß der Klippe spielte ein Wolfsrudel auf einer Lichtung. In eine der unteren Ecken war der Titel gekrakelt: Eden.
    An der Wand gegenüber hingen zwei Porträts. Eins zeigte Clay mit achtzehn oder neunzehn Jahren. Er saß im Freien in einem weißen Korbstuhl, ein nachdenkliches halbes Lächeln im Gesicht, den Blick auf einen Punkt oberhalb des Malers gerichtet. Er sah aus, als sei Michelangelos David zum Leben erwacht, eine Verkörperung jugendlicher Vollkommenheit, Unschuld und Versonnenheit. An guten Tagen erschien mir das Bild als Ausdruck von Jeremys Wunschdenken. An schlechten Tagen kam es mir vor wie blanker Hohn.
    Das Porträt daneben war ebenso beunruhigend. Es stellte mich dar. Ich saß mit dem Rücken zum Maler und drehte mich nach ihm um, so dass mein Gesicht und mein Oberkörper zu sehen waren. Mein Haar war offen und hing in wirren Locken herab, die meine Brüste verdeckten. Aber wie in dem Porträt von Clay war es der Gesichtsausdruck, auf den der Maler sich konzentriert hatte. Meine dunkelblauen Augen wirkten klarer und ausgeprägter als sonst und zeigten ein tierhaftes Glänzen. Ich lächelte mit geöffneten Lippen, die die Zähne sehen ließen. Das Bild vermittelte einen Eindruck ungezähmter Sinnlichkeit mit einem gefährlichen Zug, den ich nicht sah, wenn ich mich im Spiegel betrachtete.
    »Aha!«, rief Nick von der Tür her. »Hier versteckst du dich also. Anruf für dich. Logan ist dran.«
    Ich war so schnell zur Tür hinaus, dass ich fast einen Stoß Gemälde umgeworfen hätte. Nick folgte mir und verwies mich an das Telefon im Arbeitszimmer. Als ich den Flur entlangrannte, kam Clay zur Hintertür herein. Er sah mich nicht. Ich schlüpfte ins Arbeitszimmer und schloss gerade die Tür hinter mir, als ich hörte, wie Clay Nick fragte, wo ich steckte. Nick gab irgendeine nichts sagende Antwort; er wollte keinen Ärger auf sich ziehen, indem er Clay die Wahrheit sagte. Clay war immer noch beleidigt, weil ich während meiner Abwesenheit Kontakt zu Logan gehalten hatte. Es lag nicht daran, dass er mich verdächtigte, eine Affäre mit ihm zu haben oder etwas ähnlich Banales. Er kannte die Tatsachen – dass Logan und ich Freunde waren, sehr gute Freunde. Aber schon das reichte, um seine Eifersucht zu entfachen, Eifersucht nicht meines Körpers, sondern meiner Zeit und Aufmerksamkeit wegen.
    Ich nahm den Hörer und sagte Hallo.
    »Ellie!« Logans Stimme dröhnte über das Summen und Zischen des Äthers hinweg. »Ich kann's nicht glauben, dass du wirklich da bist. Wie geht's? Noch am Leben?«
    »Vorläufig noch. Aber ich bin ja auch erst seit zwei Tagen hier.« In der Leitung summte es, dann wurde es zwei Sekunden lang ganz still, dann erwachte das Telefon zischend wieder zum Leben. »Entweder die Verbindungen nach L.A. sind schlimmer als die nach Tibet, oder du rufst auf dem Handy an. Wo bist du?«
    »Auf der Fahrt zum Gericht. Hör mal, das hier ist demnächst erledigt. Wir haben einen Vergleich durchgesetzt. Deswegen rufe ich an.«
    »Du kommst zurück?«
    Sein Lachen kam knackend über die Leitung. »Erpicht darauf, mich zu sehen? Ich wäre wirklich geschmeichelt, wenn ich nicht den Verdacht hätte, dass du bloß einen Puffer gegen Clayton brauchst. Ja, ich komme zurück. Ich weiß noch nicht genau wann, aber es wird entweder heute Abend oder morgen früh sein. Wir müssen das hier noch abschließen, und dann nehme ich das nächste Flugzeug.«
    »Phantastisch! Ich kann's gar nicht erwarten.«
    »Geht mir genauso. Obwohl ich immer noch sauer bin, weil du mich Weihnachten nicht in Toronto haben wolltest. Ich hatte mich so auf verbrannte Ingwerkekse gefreut. Wieder so eine ehrwürdige Festtagstradition, die in Vergessenheit gerät.«
    »Vielleicht dieses Jahr.«
    »Ganz entschieden dieses Jahr.« Die Verbindung knisterte und brach ab, dann war sie mit einem Klicken wieder da. »– lo?«
    »Ich bin noch dran.«
    »Ich hör lieber auf, bevor du ganz

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