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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Wald geschossen. Er kam geradewegs auf mich zu, die Augen blind, vollkommen von der Fährte in Anspruch genommen. Er war nur noch einen Meter von mir entfernt, als er schlitternd zum Stehen kam. Jetzt roch er noch etwas anderes. Mich.
    Der Hund sah mich an. Es war ein großer Mischling, vielleicht aus einem Schäferhund und einem Redbone. Er senkte die Schnauze und blinzelte verwirrt. Dann hob er den Kopf und zog die Lefzen zu einem tiefen Grollen zurück. Er wusste nicht, was ich war, aber er mochte mich ganz und gar nicht. Einer der Männer rief etwas. Der Hund ignorierte es. Er knurrte die nächste Warnung. Der ältere Mann kam auf uns zugerannt. Ich sah meine Gelegenheit ungenutzt vorbeigehen. Ich sah dem Hund in die Augen und zeigte die Zähne. Dann versuch's doch. Und er tat es.
    Der Hund sprang. Seine Zähne schlossen sich um meinen Unterarm. Ich stürzte, hob die Arme vors Gesicht, als wollte ich mich schützen. Der Hund hielt fest. Als die Zähne sich in meinen Arm gruben, stieß ich ein Wimmern der Angst und des Schmerzes aus. Ich trat schwach nach der Bestie, und meine Tritte trafen kaum ihren Bauch. Über meinem Kopf hörte ich Durcheinander. Jemand zerrte den Hund von mir fort und meinen Arm gleich mit. Dann wurde der Hund schlaff. Die Zähne lösten sich von meinem Arm. Ich sah auf und bemerkte Clay, der über mir stand, die Hände noch um den Hals des toten Hundes geschlossen. Er warf den Kadaver zur Seite und fiel auf die Knie. Ich vergrub das Gesicht in den Armen und begann zu schluchzen.
    »Na, na«, sagte er, zog mich an sich und begann mir übers Haar zu streichen. »Es ist ja vorbei.«
    Er tat wirklich sein Bestes, um nicht zu lachen; die Anstrengung schüttelte ihn geradezu. Ich widerstand der Versuchung, ihn zu kneifen, und wimmerte weiter. Jeremy wollte wissen, wem der Hund gehörte und ob er geimpft war. Die Stimmen der Jäger übertönten einander, während sie ihre Entschuldigungen stammelten. Jemand verschwand, um den Eigentümer des Hundes aufzutreiben. Clay und ich blieben auf dem Boden sitzen; ich schluchzte, er tröstete mich. Es machte ihm viel zu viel Spaß, aber ich wagte nicht aufzustehen, aus Angst, die Jäger könnten feststellen, dass meine Augen trocken waren und ich für eine Frau, die gerade von einer reißenden Bestie angegriffen worden war, bemerkenswert gefasst wirkte.
    Nach ein paar Minuten traf der Hundebesitzer ein. Er war nicht gerade erfreut, seinen wertvollen Hund tot im Gras liegen zu sehen. Als er herausfand, was geschehen war, wurde er recht kleinlaut und begann zu versprechen, er werde alle Arztrechnungen bezahlen; wahrscheinlich hatte er Angst, wir könnten ihn anzeigen. Jeremy hielt ihm eine Gardinenpredigt, weil er seinen Hund auf einem fremden Grundstück frei herumlaufen ließ. Als er fertig war, versicherte der Mann, der Hund sei vorschriftsmäßig geimpft gewesen, und machte sich dann daran, mit Hilfe des jungen Mannes den Kadaver fortzuschaffen. Diesmal widersprach niemand, als Jeremy die ganze Gruppe aufforderte, das Grundstück zu verlassen. Als endlich Schweigen herrschte, schob ich Clay von mir weg und stand auf.
    »Was macht der Arm?«, fragte Jeremy, während er zu mir herüberkam.
    Ich sah mir die Verletzung an. Vier tiefe Zahnspuren, aus denen noch Blut tröpfelte, aber die kleinen Wunden waren kaum eingerissen. Ich ballte die Faust und öffnete sie wieder. Es tat höllisch weh, aber alles schien zu funktionieren. Ich machte mir weiter keine Gedanken darüber. Wir heilen schnell – wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass wir einander so hemmungslos Verletzungen zufügen.
    »Die erste Kriegsverletzung«, sagte ich.
    »Hoffentlich auch die letzte«, gab Jeremy trocken zurück und nahm meinen Arm, um sich den Schaden selbst anzusehen. »Es hätte schlimmer kommen können, nehme ich an.«
    »Sie hat das phantastisch gemacht«, sagte Clay.
    Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. »Ich hätte gar nichts tun müssen, wenn du nicht auf die Leute losgegangen wärst und getobt hättest wie ein Verrückter. Jeremy war sie schon fast losgeworden, als du aufgetaucht bist.«
    Jeremy machte einen Schritt zur Seite und schob sich zwischen uns, bis er Clay verdeckte – als seien wir siamesische Kampffische, die nicht angreifen, wenn sie einander nicht sehen können. »Komm mit zum Haus, wir sollten den Biss reinigen. Clay, unter der Brücke liegt eine Leiche. Bring sie in den Schuppen, wir fahren sie heute Nacht in die Stadt.«
    »Eine Leiche?«
    »Ein

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