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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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der Stelle rühre, schiebt Philip die Beine über die Bettkante und setzt sich auf.
    »Ich wollte dich nicht anfahren«, sagt er. »Ich mache mir nur Sorgen. Ich weiß, dass du deine Freiheit brauchst, und ich versuche –« Er bricht ab und reibt sich über den Mund. Die Worte schneiden durch mich hindurch. Ich weiß, dass er sie nicht als Vorwurf gemeint hat, aber sie sind einer, eine Erinnerung daran, dass ich dies hier gerade ruiniere, dass ich Glück habe, einen so geduldigen und verständnisvollen Menschen wie Philip gefunden zu haben, dass ich seine Geduld aber in einem mörderischen Tempo verschleiße, und ich scheine nichts dagegen tun zu können, als mich aus der Sache herauszuhalten und auf den endgültigen Zusammenbruch zu warten.
    »Ich weiß, du brauchst deine Freiheit«, sagt er wieder. »Aber es muss doch eine andere Möglichkeit geben. Vielleicht könntest du frühmorgens ausgehen. Wenn dir nachts lieber ist, könnten wir runterfahren an den See. Du könntest spazieren gehen. Ich könnte im Auto sitzen bleiben und ein Auge auf dich haben. Vielleicht auch mitgehen. Zwanzig Schritte hinter dir oder so was.« Er bringt ein schiefes Lächeln zu Stande. »Vielleicht lieber doch nicht. Wahrscheinlich würde ich gleich von irgendeinem Polizisten angehalten. Der Typ in mittleren Jahren, der hinter der jungen blonden Schönheit herpirscht.«
    Er macht eine Pause und beugt sich dann vor. »Das ist dein Stichwort, Elena. Jetzt müsstest du mich eigentlich daran erinnern, dass man mit einundvierzig kein Typ in mittleren Jahren ist.«
    »Wir finden schon eine Möglichkeit«, sage ich.
    Natürlich werden wir keine finden. Ich muss im Schutz der Nacht rennen, und ich muss es allein tun. Kompromisse gibt es nicht.
    Als er da auf der Bettkante sitzt und mich ansieht, weiß ich, dass wir keine Chance haben. Meine einzige Hoffnung ist, unsere Beziehung in jeder anderen Hinsicht so perfekt zu machen, dass Philip dieses eine unüberwindliche Problem ignorieren könnte. Der erste Schritt dazu sollte sein, zu ihm hinüberzugehen, neben ihm ins Bett zu kriechen, ihn zu küssen und ihm zu sagen, dass ich ihn liebe. Aber nicht heute Nacht. Heute Nacht bin ich etwas anderes, etwas, das er nicht kennt und nicht verstehen könnte. So will ich mich ihm nicht nähern.
    »Ich bin nicht müde«, sage ich. »Ich kann genauso gut gleich aufbleiben. Willst du frühstücken?«
    Er sieht mich an. Etwas an seinem Gesichtsausdruck bröckelt, und ich weiß, dass ich versagt habe – schon wieder. Aber er sagt nichts. Er zieht das Lächeln wieder an Ort und Stelle. »Gehen wir aus. Irgendwas in dieser Stadt muss so früh ja wohl offen sein. Wir fahren rum, bis wir's gefunden haben. Trinken fünf Tassen Kaffee und sehen zu, wie die Sonne aufgeht. Okay?«
    Ich nicke; auf meine Stimme will ich mich jetzt nicht verlassen.
    »Du duschst zuerst?«, fragt er. »Sollen wir eine Münze werfen?«
    »Geh du.«
    Er küsst mich im Vorbeigehen auf die Wange. Ich warte, bis ich die Dusche höre, und gehe dann in die Küche.
    Manchmal werde ich so hungrig.

Menschenwelt
    Ich stand eine Weile vor der Tür, bevor ich klingelte. Es war Muttertag, und ich stand mit einem Geschenk vor einer Tür, was ganz normal gewesen wäre, wenn es ein Geschenk für meine Mutter gewesen wäre. Aber meine Mutter war schon lange tot, und ich hatte zu keiner meiner Pflegemütter Kontakt gehalten und hätte nicht im Traum daran gedacht, ihnen Geschenke zu bringen. Das Geschenk war für Philips Mutter. Auch das wäre völlig normal gewesen, wenn Philip dabei gewesen wäre. Das aber war er nicht. Er hatte mich vor einer Stunde aus dem Büro angerufen, um mir mitzuteilen, dass er es nicht schaffen würde. Wollte ich allein gehen? Oder lieber auf ihn warten? Ich hatte mich fürs Gehen entschieden, und jetzt stand ich da und fragte mich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Besuchte eine Frau am Muttertag die Mutter ihres Freundes, ohne dass besagter Freund dabei war? Vielleicht versuchte ich zu krampfhaft, alles richtig zu machen. Es wäre nicht das erste Mal.
    Menschliche Regeln verwirrten mich. Dabei war es nicht so, als ob ich in einer Höhle aufgewachsen wäre. Bevor ich zum Werwolf wurde, hatte ich die grundlegenden Fertigkeiten gelernt: wie man ein Taxi besorgt, einen Aufzug bedient, ein Konto eröffnet – all die Kleinigkeiten des menschlichen Alltagslebens. Problematisch wurde es, wenn ich mit Menschen direkt zu tun bekam. Meine Kindheit war einigermaßen verkorkst

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