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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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dort?«
    »Oh, der ist da. Aber du verschwendest bloß deine Zeit, wenn du hinzukommen versuchst.«
    Jetzt konnte ich Brandon sehen. Wie ich vermutet hatte, war er inzwischen vollständig zum Wolf geworden. Er schien in der Ecke von Wand zu Wand zu jagen, sprang und attackierte und schnappte in die leere Luft. Ich wollte gerade anmerken, dass der Mutt offenbar den Verstand verloren hatte. Dann teilte sich die Menge weit genug, dass ich es sehen konnte – er griff nicht nur leere Luft an. Ein Mann lag in Notlandeposition auf dem Boden, den Rücken nach oben, die Knie an die Brust gedrückt, den Kopf eingezogen, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, um den Nacken zu schützen. Seine Kleidung war zerfetzt und blutgetränkt. Er bewegte sich nicht, war offensichtlich schon tot, aber Brandon ließ ihn nicht in Frieden. Er sprang den Mann an, packte seinen Fuß und drehte den Körper im Kreis. Dann tänzelte er mit hochgerecktem Schweif zurück. Er kauerte und machte spielerische Sätze, dann wich er nach der Seite aus. Der Mann lag jetzt halb auf der Seite, und ich bekam mehr von seinen Verletzungen zu sehen, als mir lieb war. Sein Hemd war aufgerissen. Blutige Streifen zogen sich über seinen Oberkörper; sein Bauch war eine rote Fläche. Das Ende seines Gürtels hing auf den Boden. Dann wurde mir klar, dass es nicht der Gürtel war, sondern eine Schlinge seiner Eingeweide. Als ich mich abwandte, bewegte sich der Körper. Der Mann schaukelte, als versuche er sich wieder auf den Bauch zu drehen, um sich besser zu schützen.
    »O Gott«, flüsterte ich. »Er ist nicht tot.«
    Brandon sprang wieder auf seine Beute los und schlug die Zähne in die Kopfhaut des Mannes. Er riss ihn hoch, warf ihn auf die Seite und hüpfte wieder zurück.
    »Er will ihn gar nicht töten«, sagte ich.
    »Warum sollte er?«, fragte Clay mit verzogenen Lippen. »Er amüsiert sich doch.«
    Abscheu troff aus jedem Wort. Dies war kein Töten um der Nahrung oder des Überlebens willen. Das hätte Clay verstanden. Dies hier war ein weiterer für ihn unverständlicher menschlicher Zug – Töten zum Vergnügen.
    »Solange er beschäftigt ist, sehe ich mich mal um«, fuhr er fort. »Gib mir fünf Minuten. Wenn es hier ein bisschen leerer ist, bist du dran. Treib ihn in die kleinere Halle da. Ich warte dort.«
    Clay sprang von der Bar und verschwand in der Menge. Ich sah wieder hinüber zu Brandon, der seine Beute quälte. Ich wollte nicht hinsehen, wollte nicht über das nachdenken, was da unter mir vorging, dass ein Mann gerade auf entsetzliche Weise starb, aber immer noch am Leben war, und dass ich keinen Finger rührte, um ihm zu helfen. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass es sicher zu spät war, ihn zu retten, und dass er, wenn er es doch überlebte, in ein Krankenhaus musste, was wir nicht zulassen konnten, denn der Mann war gebissen worden und war jetzt selbst ein Werwolf. Obwohl der rationale Teil in mir wusste, dass ich nicht riskieren konnte, zu ihm hinzugehen, fühlte ich mich doch dazu gedrängt, und wenn es nur wäre, um seinem Leiden ein Ende zu machen. Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ich sein könnte wie Clay – wenn ich anerkennen könnte, dass es falsch war, was Brandon tat, und gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass es nicht in meiner Macht stand, es wieder gutzumachen. Aber ich will nicht so sein, so hart, so distanziert. Clay hatte eine Entschuldigung. Ich hatte keine.
    Ich zwang mich, den Blick von Brandon und seiner Beute abzuwenden. Was für ein krankes Schwein. Kein Tier würde etwas Derartiges tun. Und als ich es dachte, hörte ich etwas in meinem Hirn klicken; ein Puzzleteil fiel an seinen Platz, und es schlug so hart auf, dass der Widerhall mich zusammenfahren ließ. Mit einem Mal wurde es still im Raum; das Dröhnen in meinen Ohren übertönte die Menge und schenkte mir einen Augenblick absoluter Klarheit in all dem Chaos.
    Ich wusste wieder, wo ich Brandons Gesicht gesehen hatte, und es war nicht in den Dossiers des Rudels gewesen. Fernsehen. Inside Scoop. Der Bericht über den Killer in North Carolina. Die Videoprotokolle des Verhörs liefen in meinem Kopf ab, das körnige Bild wurde lebendig. »Ich wollte zusehen, wie jemand stirbt.« Scott Brandon. Ich schüttelte heftig den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Es ergab keinen Sinn. Kein Werwolf konnte eine Gefängnisstrafe durchstehen, ohne entdeckt zu werden. Dann erinnerte ich mich an Brandons Geruch, eine Nuance, die ich an dem Abend in seiner Wohnung gefunden

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