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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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brüllte. Dann kam der erste Schrei. Und dann das Donnern Hunderter von Leuten, die in Panik zum Ausgang rannten.
    Die Panik machte mir die Arbeit wirklich nicht leichter, vor allem angesichts der Tatsache, dass mein Ziel in einer Richtung lag und die menschliche Welle in die andere rannte. Zunächst war ich noch höflich. Wirklich. Ich sagte »Verzeihung«, versuchte mich durch Lücken zu zwängen, entschuldigte mich sogar, nachdem ich dem einen oder anderen auf den Fuß getreten war. Was soll ich machen, ich bin Kanadierin. Nach ein paar in die Brust gerammten Ellenbogen und mehr als ein paar Obszönitäten, die mir ins Ohr gebrüllt wurden, gab ich es auf und bahnte mir meinen Weg. Als ein massiger Typ mich zurückzustoßen versuchte, nahm ich ihn beim Kragen und zeigte ihm den schnellsten Weg zur Tür. Danach ging es etwas besser.
    Ich war nicht mehr in Gefahr, zertrampelt zu werden, aber ich kam nur zentimeterweise vorwärts. Ich bin nicht klein – eins siebenundsiebzig, um genau zu sein –, aber nicht einmal ein Basketballstar hätte über die wogende Menschenmasse hinwegsehen können. Wenn es eine Hintertür oder einen Notausgang gab, wusste niemand von ihm. Sie versuchten alle zum Haupteingang zu kommen und steckten in dem engen vorderen Gang fest.
    Und es war nicht nur, dass ich nichts sehen konnte. Ebenso wenig konnte ich etwas hören außer dem Lärm der Menge, Flüche und Schreie und Rufe, die sich zu einer wirren Kakophonie mischten, nichts daran verständlich außer der universellen Sprache der Panik. Die Leute stießen einander und schlugen aufeinander ein, als bedeute es den Unterschied zwischen Leben und Tod, einen Schritt näher am Ausgang zu sein. Andere bewegten sich nicht durch eigenen Willen, sondern wurden von der Masse mitgerissen. Ich sah in die Gesichter und fand nichts dort. Sie waren so weiß und ausdruckslos wie Gipsmasken. Nur in den wild rollenden Augen sah ich die Wahrheit; der blanke Überlebensinstinkt hatte die Kontrolle übernommen. Die meisten von ihnen wussten nicht einmal, wovor sie eigentlich fortrannten. Es war nicht wichtig. Sie konnten die von der Menge aufsteigende Angst riechen, so gut wie jeder Werwolf sie roch, und der Geruch sickerte in ihre Hirne und steckte sie an. Sie rochen es, sie spürten es, und sie flohen davor. Sie gaben Brandon genau das, was er brauchte.
    Ich hatte die Tanzfläche zur Hälfte hinter mir, als ich über eine Frau stolperte, die in einer Blutlache lag. Blut sprühte noch immer in einer Fontäne aus ihrem Hals auf jeden, der ihr nahe kam. Leute stolperten über sie und rutschten in dem Blut aus. Keiner von ihnen sah auch nur nach unten. Ich hätte auch nicht nach unten sehen sollen. Aber ich tat es. Ihre Augen rollten und trafen eine Sekunde lang auf meine. Blutiger Schaum quoll und tröpfelte von ihren Lippen. Ihre Hand hob sich zuckend vom Boden, als versuchte sie nach oben zu greifen. Dann hielt sie mitten in der Bewegung inne und flatterte wieder hinunter in die Pfütze von Blut. Ihre Augen starben. Das Blut spritzte nicht mehr. Jetzt strömte es. Ein Mann stolperte über sie, sah nach unten, fluchte und trat sie beiseite. Ich zwang mich fortzusehen und machte mich wieder auf den Weg.
    Gerade als ich über die Leiche gestiegen war, splitterte über mir Glas. Ich blickte auf und sah Clays Füße durch ein Fenster hoch über der Bar hereinschießen. Er schwang sich ins Innere und landete auf dem Boden. Es war ein freier Fall von sechs oder sieben Metern, nicht gerade etwas, das wir im Angesicht einer Menschenmenge tun sollten – meinte zumindest Jeremy. Aber dort, wo kein Mensch einer Leiche unter seinen Füßen die geringste Aufmerksamkeit schenkte, würde wahrscheinlich auch niemand bemerken, wenn ein Mann durch ein Fenster hinter ihm in den Raum sprang. Clay kletterte auf die Bar und sah über die Halle hin. Als er mich entdeckte, winkte er mich zu sich. Ich zeigte in die Menge hinein, dorthin, wo ich Brandon vermutete. Clay schüttelte den Kopf und winkte wieder. Ich wählte eine Richtung, die ungefähr der der Menge entsprach, und arbeitete mich bis zu ihm durch.
    »Phantastischer Auftritt«, schrie ich über den Lärm, während ich ebenfalls auf die Bar kletterte.
    »Hast du gesehen, was an der Tür los ist, Darling? Ich bräuchte einen Flammenwerfer, um da durchzukommen. Und der einzige andere Eingang ist zugemauert.«
    Ich sah über die Menge hin. »Brandon ist also nicht in der Ecke dort?«
    »Wer?«
    »Der Mutt. Ist er

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