Die Nacht der Wölfin
in die Halle hinaus. Als ich ebenfalls dort angelangt war, hatte Clay Brandon auf den Balkon getrieben.
Ich hatte es fast ans obere Ende der Treppe geschafft, als Brandon vom Steg sprang, gefolgt von Clays volltönendem »Scheiße!«. Bevor ich mich umdrehen konnte, sprang Clay ebenfalls. Ich stürzte die Treppe wieder hinunter und rannte zum Ausgang, um zu verhindern, dass Brandon auf diesem Weg zu entkommen versuchte. Dieser Teil der Halle war nach wie vor von Leuten verstopft; niemand würde hier herein- oder hinauskommen.
Brandon wandte sich nicht zur Tür. Stattdessen schlug er einen Bogen zurück zur hinteren Ecke. Clay war unmittelbar hinter ihm. Ich blieb in der Nähe des Ausgangs. Brandon schoss in die Ecke, vielleicht weil sie ihm vertraut vorkam, und kollidierte fast mit der Mauer. Er wandte sich zur Seite, drehte sich in einem engen Kreis und stolperte über den Körper auf dem Boden. Diesmal bewegte der Mann sich nicht. Seine toten Augen starrten zur Decke. Brandon gewann sein Gleichgewicht zurück und wandte sich wieder in die Ecke, als erwarte er, dort eine Tür erscheinen zu sehen. Schließlich erkannte er, dass er in der Falle saß, und drehte sich um, um sich Clay zu stellen.
Mehrere Sekunden lang starrten Clay und Brandon sich an. Zum ersten Mal flackerte wirkliche Besorgnis in mir auf. Nicht einmal Clay war vor einem Werwolf in Wolfsgestalt sicher. Als ich die beiden beobachtete, spürte ich, wie die Anspannung durch mich hindurchpulsierte; mein Instinkt befahl mir, Clay zu schützen, während die Vernunft darauf beharrte, dass ich den Ausgang bewachen musste.
Brandon durchbrach das Patt, indem er knurrte und sich duckte, den Pelz gesträubt. Clay bewegte sich nicht. Brandon knurrte wieder, als spräche er eine letzte Warnung aus. Dann sprang er. Clay ließ sich fallen und rollte zur Seite. Brandon krachte schlitternd auf das Linoleum, und bevor er auf die Füße gekommen war, war Clay über ihm. Er packte Brandon an der losen Hautfalte im Nacken und schwang ein Bein über seinen Rücken. Dann drückte er Brandons Kopf auf den Boden.
Brandon wehrte sich wütend. Die Klauen rutschten über den Boden, ohne einen Halt zu finden. Er fauchte und knurrte, schnappte nach einer Seite und der anderen, versuchte Clays Hände zu erwischen. Clay stemmte das linke Knie in Brandons Rücken und legte die Hände um seine Kehle. Als er sie zusammenzudrücken begann, versuchte Brandon es mit einem letzten wütenden Aufbäumen. Clays rechter Fuß verlor so weit an Boden, dass er seine Position ändern musste, und als er den Fuß wieder aufsetzte, trat er in eine Pfütze vom Blut des Toten.
»Clay!«, schrie ich.
Zu spät. Als er auftrat, rutschte er in dem Blut aus; sein Knöchel knickte ab und schoss zur Seite. Brandon warf sich im richtigen Augenblick nach vorn, und Clay stolperte von seinem Rücken. Sobald Brandon sich befreit hatte, sah er den Ausgang und stürzte auf ihn zu.
Ich versuchte gar nicht erst, die Gangmündung zu versperren. Er hätte mich über den Haufen gerannt, als wäre ich gar nicht da. Stattdessen stürzte ich mich auf ihn, als er an mir vorbeischoss, und packte zwei Hände voll Pelz. Wir stürzten gleichzeitig, und im Rollen schnappte er nach meinem Arm. Ich riss ihn zurück, aber nicht schnell genug. Einer seiner Reißzähne erwischte mich am Unterarm, riss ihn bis zum Ellenbogen auf und pflügte durch die Verletzungen vom Vormittag. Ich keuchte. Ich ließ nicht los, aber ich lockerte den Griff, und das war genug – Brandon riss sich los.
Clay tauchte eine Sekunde zu spät auf, als Brandon schon die Halle entlangjagte. Am anderen Ende herrschte immer noch Gedränge, aber die Leute brachten es fertig, aus dem Weg zu springen, als sie ihn kommen sahen.
Clay machte Anstalten, ihm zu folgen, aber ich streckte den Arm aus und packte ihn am Hemdrücken.
»Wir sollten nicht zusammen rausgehen«, keuchte ich.
»Stimmt. Du folgst ihm. Ich gehe durchs Fenster.«
Ich war mir nicht sicher, wie er das anstellen wollte, wenn er nicht gerade die Fähigkeit entwickelt hatte, glatte Wände hinaufzuklettern, aber es blieb keine Zeit zum Debattieren. Ich nickte und rannte durch die Halle und den Gang entlang zum Ausgang. Ich stürzte durch die Tür und stand in einem Durcheinander, das schlimmer war als das, was zuvor im Inneren der Lagerhalle geherrscht hatte. Die Menge hatte es durch die Tür geschafft, aber nicht weiter. Manche Leute sahen aus, als seien sie in einem Schockzustand. Andere
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