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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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haben würde. Wenn ich wieder zur Besinnung kam, würde ich mich dafür schämen, die Beherrschung verloren und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen zu haben, die Jeremy würde bezahlen müssen. Ich sah zu den Porzellanschäferinnen auf der Kommode hinüber und stellte mir vor, wie ich sie auf dem Holzfußboden zerschmetterte, wie ihre hübschen leeren Gesichter in rasiermesserscharfe Splitter zerbarsten. Es wäre ein wundervolles Gefühl, aber ich würde es niemals tun. Ich würde mich daran erinnern, wie viel Zeit Jeremy damit verbracht hatte, sie für mich auszusuchen, wie es ihn verletzen würde, wenn ich sein Geschenk zerstörte. So sehr ich mir auch wünschte, einfach zu explodieren, ich brachte es nicht über mich. Ich konnte mir den Luxus eines Wutanfalls nicht leisten. Und weil Clay es konnte, hasste ich ihn dafür.
    Ich hatte keine Möglichkeit, dem Schmerz Ausdruck zu verleihen, und so verbrachte ich die nächsten Stunden zusammengerollt auf dem Bett, ohne mich zu bewegen, selbst dann noch, als meine Beinmuskeln sich verkrampften und mich anflehten, die Stellung zu wechseln. Ich starrte die Vorhänge an, die Gedanken so inhaltsleer, wie ich sie halten konnte, aus Furcht davor, irgendetwas zu denken oder zu empfinden. Stunden später lag ich immer noch dort, als Jeremy an die Tür klopfte. Ich reagierte nicht. Die Tür öffnete sich; dann hörte ich das Klicken, mit dem sie wieder ins Schloss fiel. Die Bettvorhänge flüsterten, und die Matratze senkte sich, als Jeremy sich hinter mir aufs Bett setzte. Seine Hand griff nach meiner Schulter und blieb dort liegen. Ich schloss die Augen, als die Wärme seiner Finger durch den Stoff sickerte. Mehrere Minuten lang sagte er gar nichts. Dann griff er über mich hinweg, strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schob sie mir hinters Ohr.
    Ich verdiente seine Freundlichkeit nicht. Ich wusste das. Ich nehme an, das ist der Grund dafür, dass ich immer an seinen Motiven gezweifelt habe. Am Anfang hatte ich jedes Mal, wenn er etwas Nettes für mich tat, nach Anzeichen für das Böse darin gesucht, nach den finsteren Beweggründen hinter der Geste. Schließlich war er ein Monster. Er musste einfach schlecht sein. Als mir klar geworden war, dass Jeremy nichts Schlechtes an sich hatte, hatte ich mir eine andere Entschuldigung gesucht: Er war gut zu mir, weil er mich nun einmal am Hals hatte, weil er ein anständiger Kerl war und weil er sich vielleicht sogar ein Stück weit verantwortlich fühlte für das, was sein Ziehsohn mir angetan hatte. Wenn er mich in ein Broadwaytheater oder zu teuren Abendessen nur für uns beide einlud, dann deshalb, weil er mich ruhig und zufrieden haben wollte, nicht weil er sich in meiner Gesellschaft wohl fühlte. Ich hatte es bei einem Dutzend Pflegevätern nicht fertig gebracht, ihre Zuneigung zu gewinnen, und jetzt konnte ich mir nicht vorstellen, sie bei jemandem gewonnen zu haben, der mehr wert war als diese Männer zusammengenommen. Aber hin und wieder gab es Augenblicke, in denen ich mir zu glauben erlaubte, dass Jeremy wirklich etwas an mir lag – wenn ich zu unglücklich war, um mir diesen Wunschtraum zu versagen. Dies war einer dieser Augenblicke. Ich schloss die Augen, spürte seine Gegenwart und gestattete mir zu glauben.
    Eine Weile schwiegen wir beide, dann sagte er leise: »Wir haben ihn begraben. Gibt es irgendwas, das du gern tun würdest?«
    Ich wusste, was er damit meinte: Gab es irgendeinen menschlichen Brauch, der bewirken konnte, dass ich mich besser fühlte? Ich wünschte, es wäre so. Ich wünschte, ich könnte in mein Inneres greifen und ein tröstliches Ritual finden, aber die Erfahrungen meiner Kindheit hatten für Vertrauen in die Macht eines allmächtigen Wesens wenig Raum gelassen. Meine lebhafteste Erinnerung an einen Kirchenbesuch war ein Tag, an dem ich flankiert von einem Satz Pflegeeltern auf der Bank gesessen hatte; meine Pflegemutter hatte sich weit vorgebeugt in dem Bemühen, sowohl den Pfarrer zu verstehen als auch die Tatsache zu ignorieren, dass die Finger ihres Mannes die spirituellen Mysterien unter meinem Rock zu entschlüsseln versuchten. Das Einzige, um das ich je gebetet hatte, war die Erlösung vom Bösen. Gott musste Wichtigeres zu bedenken gehabt haben. Er hatte mich ignoriert, und ich hatte gelernt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
    Aber wie es mit meinem Glauben auch immer aussehen mochte, ich hatte das Gefühl, ich sollte etwas tun, um Logans Tod zu begehen, sollte

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