Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
in Wald über. Perfekt. Ein Ort, an dem wir uns verwandeln und Brandon auflauern konnten – und von wo wir seine Leiche unauffällig fortschaffen konnten.
    Ich sprintete in Richtung Straße. Und unglücklicherweise vergaß ich eine der grundlegenden Kindergartenregeln – ich sah nicht nach links und rechts, bevor ich sie überquerte. Ich rannte genau vor einen Sattelschlepper; es war so knapp, dass der Luftzug mich von den Füßen riss. Ich rollte an den Straßenrand und sprang hastig auf. Als ich mich umdrehte, zerriss ein Schuss die Nacht. Brandon rannte über die Straße, als die Kugel ihn traf. Sein Schädel zerbarst in einer Explosion von Blut und Hirn. Der Aufprall schleuderte ihn zur Seite und unmittelbar vor einen entgegenkommenden Pick-up. Der Wagen erwischte ihn mit einem abscheulich klatschenden Geräusch und begann zu schlingern. Er wirbelte an mir vorbei, Brandons Körper auf dem Kühlergrill, der größte Teil seines Kopfes weggerissen; diverse andere Körperteile folgten, als der Wagen sich um dreihundertsechzig Grad drehte, und dabei wurde Brandons Körper fortgeschleudert und flog quer über die Straße. Der größte Teil davon jedenfalls. Als der Fahrer das Auto unter Kontrolle gebracht und abgebremst hatte, konnte ich Fetzen von blutigem Pelz und Haut noch in den Gitterstäben festhängen sehen. Es reichte, um mich wünschen zu lassen, die Legenden wären wahr und gewöhnliche Kugeln könnten einen Werwolf nicht töten, Scott Brandon wäre irgendwo in dem zerschmetterten Haufen blutiger Überreste auf der Straße noch am Leben und bei Bewusstsein und könnte nicht schreien. Ein angemessenes Ende für einen Sadisten. Unglücklicherweise war er tot gewesen, sobald der erste Schuss ihn traf. Silberkugeln sind ein stilvolles Accessoire, aber sie sind absolut nicht notwendig, wenn man einen Werwolf töten will. Alles, was einen Menschen oder einen Wolf umbringt, funktioniert auch bei uns tadellos.
    Um Brandons Überreste begann sich eine Menschenmenge zu sammeln. Sie würden nichts sehen außer einem sehr großen, sehr toten hundeartigen braunen Tier. Er würde sich nicht in einen Menschen zurückverwandeln. Auch das ist eins dieser falschen Werwolfklischees. Dem Mythos zufolge verwandeln sich Werwölfe in Menschen zurück, wenn sie verletzt werden. Es gibt Dutzende von Geschichten, in denen der Bauer oder Jäger einen Wolf anschießt und dann, wenn er dem verletzten Tier folgt, zu seinem Schrecken blutige menschliche Fußabdrücke findet. Es wäre ein hübscher Trick, aber so funktioniert es nicht. Was gut ist, denn andernfalls würden wir uns jedes Mal zurückverwandeln, wenn ein Bruder aus dem Rudel uns etwas zu fest zwickt. Furchtbar lästig. Die simple Wahrheit ist, wenn man als Wolf stirbt, sollte man all die Pläne für eine Trauerfeier am offenen Sarg lieber aufgeben. Brandons Überreste würden im besten Fall zum Tierschutzverein von Bear Valley transportiert und dort ohne Aufwand und Autopsie entsorgt werden. Scott Brandon, der flüchtige Killer aus North Carolina, würde nie gefasst werden.
    »Herrgott, ich hoffe wirklich, er kriegt ein anständiges Begräbnis«, sagte eine Stimme in meinem Rücken gedehnt. »Der arme fehlgeleitete Kerl, wenigstens das hat er doch verdient, meinst du nicht auch?«
    Ich drehte mich zu Clay um und schüttelte den Kopf. »Ich hab's vermasselt.«
    »Nö. Er ist tot. Das war schließlich genau das, was wir heute Abend erreichen sollten. Du hast bestens funktioniert, Darling.«
    Er legte mir den Arm um die Taille und beugte sich über mich, um mich zu küssen. Ich wand mich aus seinem Griff.
    »Wir sollten gehen«, sagte ich. »Jeremy würde nicht wollen, dass wir jetzt noch hier herumhängen.«
    Clay griff wieder nach mir und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ich wandte mich schnell ab und machte mich auf den Weg die Straße entlang. Nach ein paar Schritten trabte er neben mir her. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz sprachen wir nicht miteinander.
    Wir bogen um die Ecke bei dem Lebensmittelladen, wo ich den Explorer geparkt hatte. Der Parkplatz war dunkel. Die Beleuchtung war ausgeschaltet worden, als der Laden schloss; Bear Valley war ein Ort, wo man Licht tatsächlich noch zur Bequemlichkeit der Kunden einsetzte und nicht als Sicherheitsmaßnahme. Wir hatten den Explorer am hinteren Ende neben einem Maschendrahtzaun abgestellt. Bei unserer Ankunft waren noch ein paar weitere Autos hier geparkt gewesen, aber jetzt waren sie fort; die legalen Bars hatten

Weitere Kostenlose Bücher