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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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zumindest zu seinem Grab gehen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Als ich es Jeremy gegenüber aussprach, bot er an, mich zu begleiten, und ich nahm das Angebot mit einem Nicken an. Er half mir auf die Füße und legte die Hand unter meinen Ellenbogen, um mir vorsichtig die Treppe hinunterzuhelfen. Bei jedem anderen und bei jeder anderen Gelegenheit hätte ich die Hilfe abgeschüttelt. Aber gerade jetzt war ich dankbar für sie. Der Fußboden schwankte und kippte unter meinen Füßen. Ich ging vorsichtig die Treppe hinunter und durch die kleine hintere Halle. Die Arbeitszimmertür öffnete sich, und Antonio streckte den Kopf heraus, ein halb volles Brandyglas in der Hand. Er sah Jeremy an. Als Jeremy den Kopf schüttelte, nickte er und zog sich wieder ins Zimmer zurück. Als wir an der Tür vorbeigingen, öffnete sie sich ein zweites Mal. Ich brauchte mich nicht umzusehen, um zu wissen, wer herauskam. Jeremy sah über die Schulter zurück und hob eine Hand. Ich hörte nicht, wie die Tür geschlossen wurde, und ich hörte auch nicht, dass Clays Schritte uns folgten. Ich stellte mir vor, wie er von der Halle aus zusah, wie wir gingen, und ging etwas schneller.
    Sie hatten Logan unter einer Baumgruppe am Rand des Waldes hinter dem Haus begraben. Es war ein hübscher Fleck, wo die Mittagssonne durch die Blätter tanzte und auf die wilden Blumen fiel. Ich nahm es zur Kenntnis, und dann fiel mir ein, wie absurd es war, einen schönen Ort auszusuchen, um die Toten zu begraben. Logan konnte es nicht sehen. Ihm war es gleich, wo er lag. Die sorgfältig gewählte Stelle war nichts als ein Trost für die Lebenden. Mich tröstete sie nicht.
    Ich bückte mich, um ein paar winzige weiße Blumen zu pflücken und auf die lockere Erde zu legen. Auch diesmal wusste ich nicht, warum ich es tat. Logan würde nichts damit anfangen können. Noch so eine bedeutungslose Geste, nur dazu da, einen winzigen Trost zu spenden, den Trost eines Rituals, das für die Verstorbenen begangen worden war, seit die Menschen damit begonnen hatten, um ihre Toten zu trauern. Als ich vor dem Grab stand mit meinem armseligen Büschel Blumen, fiel mir die letzte und einzige Beerdigung wieder ein, an der ich je teilgenommen hatte. Die meiner Eltern. Die beste Freundin meiner Mutter – die Frau, die mich hatte adoptieren wollen – hatte eine kleine Trauerfeier organisiert. Später fand ich heraus, dass meine Eltern keine Lebensversicherung gehabt hatten; die Freundin meiner Mutter muss die Feier selbst finanziert haben. Sie nahm mich mit zur Beerdigung, stand neben mir und hielt mich an der Hand. Es sollte das letzte Mal sein, dass ich sie je zu Gesicht bekam. Bei den Behörden, die für Pflegefamilien und Adoptionen zuständig waren, glaubte man an die heilsame Wirkung klarer, sauberer Trennungen.
    An diesem Tag hatte ich da gestanden, die Gräber betrachtet und gewartet. Meine Eltern würden zurückkommen. Ich wusste das. Ja, natürlich hatte ich die Särge gesehen und einen kurzen Blick auf den Körper meiner Mutter in einem von ihnen werfen können. Ich hatte gesehen, wie die Männer die beiden Kisten in den Boden absenkten und mit Erde bedeckten. Aber darauf kam es nicht an. Sie würden zurückkommen. Ich hatte keinerlei Erfahrung mit dem wirklichen Tod. Ich kannte nur die lauten bunten Versionen der Samstagmorgentrickfilme, in denen der Kojote immer und immer wieder starb und jedes Mal zurückkam, um noch einen letzten idiotischen Plan auszuhecken, bevor der Abspann über den Bildschirm rollte. So funktionierte das. Der Tod war eine vorübergehende Sache; er währte eben lang genug, um den Kindern, die im Schlafanzug im Schneidersitz vor dem Fernseher saßen und eine Hand voll Froot Loops nach der anderen in sich hineinstopften, ein Lachen zu entlocken. Ich hatte sogar gesehen, wie der Trick an echten Leuten vorgeführt wurde, als mein Vater mich zu einer Zaubervorführung bei der Weihnachtsfeier seiner Firma mitgenommen hatte. Sie hatten eine Frau in eine Kiste gesteckt, sie in der Mitte durchgeschnitten und die Kiste gedreht. Als sie die Klappe danach wieder öffneten, sprang sie heraus, lächelnd und unversehrt, unter dem Jubel und Gelächter der Zuschauer. Und genau so würden meine Eltern aus ihren Kisten steigen, lächelnd und unversehrt. Es war ein Scherz. Ein wundervoller, beängstigender Scherz. Ich brauchte nichts weiter zu tun, als zu warten, bis es vorbei war. Als ich dort stand, vor den Gräbern meiner Eltern, begann ich zu kichern. Der

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