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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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längst geschlossen. Ich holte die Autoschlüssel aus der Handtasche. In der Stille gaben sie ein misstönendes Klirren von sich.
    »Das gibt's nicht«, murmelte Clay.
    Ich drehte mich zu ihm um in dem Glauben, das Geräusch der Schlüssel hätte ihn erschreckt, aber er starrte zu dem Explorer hinüber. Er ging langsamer und schüttelte den Kopf.
    »Sieht so aus, als hätte da einer noch den Abendflug genommen«, sagte er.
    Ich sah in die gleiche Richtung. Ein hellhaariger bärtiger Mann saß auf dem Asphalt, an den Vorderreifen des Explorer gelehnt, die Knöchel gekreuzt. Neben ihm lag eine kleine Reisetasche. Logan. Ich grinste und begann zu rennen. Hinter mir schrie Clay etwas. Ich ignorierte es. Ich hatte ein Jahr lang darauf gewartet, Logan wiederzusehen. Clay konnte sich seine Eifersucht in den Hintern schieben. Besser noch, er konnte auf dem ganzen Weg vor sich hinschimpfen, wenn er zu Fuß zurück nach Stonehaven trabte. Schließlich hatte ich die Autoschlüssel.
    »Hey!«, rief ich. »Du bist eine Stunde zu spät. Du hast alles Interessante verpasst!«
    Auch Clay rannte jetzt, und er rief immer noch nach mir. Ich blieb vor Logan stehen und grinste zu ihm hinunter.
    »Hast du vor, den ganzen Abend da zu sitzen, oder –«
    Ich brach ab. Logans Augen starrten über den Parkplatz hin. Leer. Blind. Tot.
    »Nein«, flüsterte ich. »Nein.«
    Ich hatte eine undeutliche Vorstellung von Clay, der hinter mich trat, spürte, wie seine Arme sich um mich legten und mich abfingen, als ich zurückstolperte. Ein ohrenbetäubendes Heulen zerriss die Stille der Nacht. Jemand heulte. Ich.

Kummer
    Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Stonehaven zurückgekommen bin. Ich nehme an, Clay setzte mich in den Explorer, legte Logans Leiche auf die hintere Ladefläche und fuhr uns beide nach Hause. Ich erinnere mich undeutlich daran, dass ich durch die Garage ins Haus ging, dass Jeremy in der Halle erschien und nach dem Mutt zu fragen begann. Er muss meinen Gesichtsausdruck gesehen haben, denn er brachte die Frage nicht zu Ende. Ich drängte mich an ihm vorbei. Hinter mir hörte ich Clay etwas sagen, hörte Jeremys Fluch, hörte schnelle Schritte, als die anderen aus dem Raum kamen, in dem sie auf uns gewartet hatten. Ich ging weiter zur Treppe. Niemand versuchte mich aufzuhalten. Oder vielleicht versuchten sie es auch, und ich kann mich einfach nicht daran erinnern. Ich ging in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir, zog den Bettvorhang zur Seite und kroch in meinen Zufluchtsort.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging. Vielleicht Stunden. Wahrscheinlich Minuten, gerade genug Zeit, dass Clay den anderen erzählen konnte, was passiert war. Dann hörte ich seine Schritte auf der Treppe. Er blieb vor meiner Tür stehen und klopfte kräftig an. Als ich nicht antwortete, klopfte er lauter.
    »Elena?«, rief er.
    »Geh weg.«
    Die Tür ächzte, als ob er sich von außen dagegenlehnte. »Ich will dich sehen.«
    »Nein.«
    »Lass mich reinkommen und mit dir reden. Ich weiß, wie dir das wehtut –«
    Ich richtete mich auf und fauchte zur Tür hin: »Du hast keine Ahnung, wie sehr mir das wehtut. Warum solltest du? Du bist wahrscheinlich froh, dass er tot ist! Einer weniger, mit dem du dir meine Aufmerksamkeit teilen musst.«
    Er sog scharf die Luft ein. »Das ist nicht wahr. Du weißt, dass das nicht wahr ist. Er war mein Bruder!« Die Tür ächzte wieder. »Lass mich rein, Darling. Ich will bei dir sein.«
    »Nein.«
    »Elena, bitte. Ich will –«
    »Nein!«
    Einen Moment lang war er still. Ich horchte auf seinen Atem, hörte die Unterbrechung, als er schluckte. Dann gab er ein leises schmerzliches Geräusch von sich, das zu einem Grollen des Kummers anwuchs. Seine Schuhsohlen quietschten, als er sich jäh umdrehte, dann rammte er die Faust in die gegenüberliegende Wand. Putzbrocken prasselten auf den Fußboden. Die Tür seines Zimmers schlug zu. Dann wieder ein Krachen, diesmal war es etwas Größeres – ein Nachttisch oder eine Lampe –, das gegen die Wand geschleudert wurde. In Gedanken verfolgte ich den Ausbruch mit, sah jedes einzelne Möbelstück in Trümmer gehen und wünschte mir, ich könnte das Gleiche tun. Ich wollte mit Dingen werfen, Dinge zerstören, den Schmerz spüren, wenn meine Hand gegen die Wand schlug, auf alles um mich her einschlagen, bis mein Kummer und meine Rage in der Erschöpfung untergingen. Aber ich konnte es nicht tun. Der rationale Teil in mir hielt mich davon ab, erinnerte mich daran, dass es Folgen

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